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Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton

Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton

Titel: Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Englischlehrerin sollte so etwas nicht in den Mund nehmen. Was ist mit dem Colonel?«
    »Er ist schon ein paar Jahre tot. Es macht nichts, es ist okay.«
    Sie lächelte ihn an. Sie kannten dieses Spiel schon. Wenn er mit dem Kochen dran war, führte er sie meistens zum Essen aus. Er konnte ihr ansehen, daß sie enttäuscht war, mit gebratenem Hähnchen vom Imbiß abgespeist zu werden. Aber es gab zu viel zu tun, zu viel, worüber er nachdenken mußte.
    Wenn er ihr Gesicht ansah, wollte er ihr am liebsten alle Sünden beichten. Aber er wußte, daß er dazu nicht in der Lage war. Und sie wußte es auch.
    »Ich habe heute einen Mann gedemütigt.«
    »Was? Warum?«
    »Weil er Frauen erniedrigt.«
    »Alle Männer tun das, Harry. Was hast du getan?«
    »Ich habe ihn zu Boden geschlagen, vor den Augen seiner Frau.«
    »Er verdiente es sicher.«
    »Ich möchte nicht, daß du morgen zum Gericht kommst. Ich werde wahrscheinlich von Chandler in den Zeugenstand gerufen, aber ich möchte nicht, daß du da bist. Es wird ziemlich schlimm werden.«
    Sie schwieg einen Moment.
    »Warum tust du das, Harry. Du erzählst mir all diese Dinge von deiner Arbeit, aber den Rest behältst du für dich. In mancher Hinsicht sind wir so intim und in anderer … Du erzählst mir von dem Mann, den du niedergeschlagen hast, aber nicht von dir. Was weiß ich von dir, von deiner Vergangenheit? Ich will, daß wir den Punkt erreichen, Harry. Wir müssen – oder wir erniedrigen uns am Ende gegenseitig. So ist es schon einmal für mich ausgegangen.«
    Bosch nickte und sah auf den Boden. Er wußte nicht, was er sagen sollte. Ihn bedrückten zu viele andere Sachen, um jetzt noch darüber zu sprechen.
    »Was für ein Hähnchen willst du? Extra knusprig?« fragte er schließlich.
    »Okay.«
    Sie kehrte zu ihren Hausarbeiten zurück, und er ging, um das Abendessen zu besorgen.
     
    Nachdem sie mit dem Essen fertig waren, und sie zum Eßzimmertisch gegangen war, öffnete er seine Aktentasche auf dem Küchentisch und holte die blauen Mordbücher heraus. Auf dem Tisch war eine Flasche Henry Weinhard’s, aber keine Zigaretten. Er würde nicht im Haus rauchen. Wenigstens nicht, solange sie wach war.
    Er öffnete den ersten Ordner und breitete die abgehefteten Berichte zu jedem der elf Opfer auf dem Tisch aus. Mit der Bierflasche in der Hand stand er auf, um einen besseren Überblick zu haben. Oben auf jedem Bericht war ein Foto der Leiche, wie sie gefunden worden war. Elf dieser Fotos lagen vor ihm auf dem Küchentisch. Er ließ sich die Fälle durch den Kopf gehen und begab sich dann ins Schlafzimmer. Er sah in dem Anzug nach, den er gestern getragen hatte. Das Polaroid-Bild der Beton-Blondine steckte noch in der Tasche.
    Er nahm es mit in die Küche und legte es auf den Tisch zu den anderen. Nummer zwölf. Eine Schreckensgalerie zerstörter, mißhandelter Körper mit knalligem Make-up und geschminktem Lächeln unter toten Augen. Die Leichen waren nackt dem grellen Licht des Polizeifotografen ausgeliefert.
    Bosch trank die Flasche aus und starrte weiter. Er las die Namen und Todesdaten, betrachtete ihre Gesichter – verlorene Engel in der Stadt der Nacht. Er merkte erst, daß Sylvia hereinkam, als es zu spät war.
    »Mein Gott«, flüsterte sie, als sie die Fotos sah, und machte einen Schritt zurück. In der einen Hand hielt sie eine Hausarbeit, mit der anderen bedeckte sie ihren Mund.
    »Es tut mir leid, Sylvia«, sagte Bosch. »Ich hätte dich warnen sollen, nicht hereinzukommen.«
    »Das sind die Frauen?«
    Er nickte.
    »Was tust du?«
    »Ich bin mir nicht sicher. Ich versuche irgendwie weiterzukommen. Vielleicht bringt es mich auf irgendeine Idee, wenn ich sie mir alle ansehe. Vielleicht verstehe ich dann, was passiert ist.«
    »Aber wie kannst du dir das ansehen? Du warst ganz in ihrem Anblick versunken.«
    »Weil ich muß.«
    Sie sah auf das Blatt in ihrer Hand.
    »Was ist das?« fragte er.
    »Ach nichts. Einer meiner Schüler hat etwas geschrieben. Ich wollte es dir vorlesen.«
    »Fang an.«
    Er ging zur Wand und schaltete die Lampe über dem Tisch aus. Die Fotos und Bosch wurden von der Dunkelheit eingehüllt. Sylvia stand in dem Licht, das vom Eßzimmer in die Küche fiel.
    »Fang an.«
    Sie hielt das Blatt hoch und sagte: »Es ist von einem Mädchen. Sie schrieb: ›West präfigurierte das Ende der goldenen Jahre von Los Angeles. Er sah, daß die Stadt der Engel eine Stadt der Verzweifelten werden würde, ein Ort, an dem die Hoffnung der wütenden

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