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Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton

Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton

Titel: Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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einziges Vergehen bestand darin zu flüchten. Die von der Polizei ergriffene Maßnahme war unverhältnismäßig. Jede Jury würde das sehen. Und die städtische Rechtsabteilung wußte das. Übrigens, ich glaube, es war Belks Fall. Sie machten ein Vergleichsangebot über eine halbe Million, und Faraday nahm es nicht an. Er dachte, er könnte in einem Prozeß mindestens dreimal soviel rausschlagen. Also lehnte er ab.
    Wie ich sagte, das alles passierte in der ›guten alten Zeit‹, in der Zeitrechnung von Bürgerrechtsanwälten, ›vor Rodney King‹. Eine Jury hörte sich vier Tage lang die Beweisführung an und entschied dann in dreißig Minuten zugunsten der Polizei. Galton blieb von der ganzen Sache nur ein kaputtes Bein und ein kaputter Schwanz. Nach dem Urteilsspruch ging er hinaus und zu der Hecke dort drüben. Er hatte eine Pistole in Plastik gewickelt und dort vergraben. Dann kam er hierher zur Statue und steckte sich die Waffe in den Mund. Faraday kam gerade durch die Tür und sah, wie es passierte. Die ganze Statue war voll Blut. Überall Blut.«
    Bosch sagte nichts. Er erinnerte sich jetzt deutlich an den Fall. Sein Blick ging zum Rathausturm, über dem die Möwen kreisten. Er hatte sich immer gefragt, was sie anzog. Sie waren meilenweit vom Ozean entfernt, aber ständig zogen Seevögel ihre Kreise über dem Rathaus.
    »Zwei Dinge wollte ich immer wissen«, sagte sie. »Erstens, warum flüchtete Galton? Und zweitens, warum hatte er die Pistole versteckt? Ich glaube, die Antwort auf beide Fragen ist die gleiche: Er glaubte nicht an Gerechtigkeit, an die Justiz. Keine Hoffnung. Er hatte nichts verbrochen, aber er flüchtete, weil er als Schwarzer in einer weißen Wohngegend war und er sein ganzes Leben lang gehört hatte, was weiße Polizisten mit Schwarzen in so einer Situation machten. Sein Anwalt hatte ihm gesagt, es sei eine todsichere Sache. Aber er hatte eine Waffe zum Gericht gebracht, weil er sein ganzes Leben gehört hatte, wie sich Geschworene entscheiden, wenn die Aussage eines schwarzen Mannes gegen das Wort von Polizisten steht.«
    Bosch sah auf die Uhr. Es war Zeit hineinzugehen, aber er wollte sie nicht stehen lassen.
    »Also deshalb hat Tommy gesagt, Gerechtigkeit geschah. Das war die Gerechtigkeit für André Galton. Danach übergab Faraday alle seine Fälle anderen Anwälten. Ich übernahm auch einige. Und er setzte nie wieder einen Fuß in einen Gerichtssaal.«
    Sie drückte aus, was von ihrer Zigarette noch übrig war.
    »Ende der Geschichte«, sagte sie.
    »Ich schätze, Bürgerrechtsanwälte erzählen sie oft«, sagte Bosch. »Und jetzt setzen Sie Churchs und meinen Namen ein. Sehen Sie meinen Fall so? Ich bin der Typ, der den Hund auf Galton hetzte?«
    »Es gibt Stufen, Detective Bosch. Selbst wenn Church ein Monster war, wie Sie behaupten, hätte er nicht sterben müssen. Wenn die Justiz das Unrecht übersieht, das an Schuldigen begangen wird, dann sind bald die Unschuldigen dran. Deshalb werde ich Sie dort drinnen anklagen – für die Unschuldigen.«
    »Dann viel Glück«, sagte er.
    Er drückte seine eigene Zigarette aus.
    »Das werde ich nicht brauchen«, sagte sie.
    Bosch folgte ihrem Blick zur Statue, zu der Stelle, wo Galton sich umgebracht hatte. Chandler schaute, als wäre das Blut noch da.
    »Das ist die Gerechtigkeit«, sagte sie und nickte zur Statue. »Sie hört Sie nicht, sie sieht Sie nicht. Sie kann Sie nicht fühlen und wird Ihnen nichts sagen. Die Gerechtigkeit, Bosch, ist eine Beton-Blondine.«

16
    Im Gerichtssaal herrschte Totenstille, als Bosch hinter den Tischen der beiden Parteien und dann vor den Geschworenen vorbei zum Zeugenstand schritt. Nachdem er seinen Eid abgelegt hatte, gab er seinen vollen Namen an, und der Gerichtsdiener bat ihn, ihn zu buchstabieren.
    »H-I-E-R-O-N-Y-M-U-S B-O-S-C-H.«
    Dann übergab der Richter ihn Belk zur Befragung.
    »Erzählen Sie uns etwas von sich, Detective Bosch, über Ihre Laufbahn.«
    »Ich bin seit fast zwanzig Jahren bei der Polizei. Zur Zeit bin ich dem Mord-Tisch des Hollywood-Reviers zugeteilt.
    Davor …«
    »Warum heißt es Tisch?«
    O Gott, dachte Bosch.
    »Weil es wie ein Tisch aussieht. Es sind sechs kleine Schreibtische, die man zu einem langen Tisch zusammengeschoben hat. Drei Detectives sitzen an jeder Seite. Man sagt üblicherweise Tisch dazu.«
    »Okay, fahren Sie fort.«
    »Bevor ich dorthin versetzt wurde, habe ich acht Jahre in der Einheit für besondere Mordfälle des Raub-Mord-Dezernats verbracht. Und

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