Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
fehlende Teil. Es wird zu einem anderen Ergebnis führen.«
»Ich habe Ihnen doch gesagt, Mann, der Fall wurde mir entzogen.«
»Dann gebe ich ihn Ihnen wieder.«
Das kam mit einer Bestimmtheit, als gäbe es für McCaleb keine Wahl.
»Sie haben bis Mittwoch Zeit. Bis zur Abgabefrist dieses Journalisten. Sie müssen seine Story mit der Wahrheit kippen. Wenn nicht, wissen Sie ja selbst am besten, was J. Reason Fowkkes daraus machen wird.«
Darauf saßen sie eine Weile schweigend da und sahen sich an. Als Profiler hatte McCaleb mit Dutzenden von Mördern gesprochen. Wenige gaben ihre Taten ohne Umschweife zu. Was das anging, war Bosch nicht anders. Aber die Eindringlichkeit, mit der er ihn unverwandt ansah, hatte McCaleb noch an keinem anderen Mann, ob schuldig oder unschuldig, beobachtet.
»Storey hat zwei Frauen umgebracht, und das sind nur die zwei, von denen wir etwas wissen. Er ist das Monster, das Sie Ihr ganzes Leben lang gejagt haben, McCaleb. Und jetzt … jetzt geben Sie ihm den Schlüssel für seinen Käfig. Wenn er freikommt, wird er es wieder tun. Sie kennen diese Sorte Mensch. Sie wissen, dass er es wieder tun wird.«
McCaleb kam nicht gegen Boschs Augen an. Er senkte den Blick auf die Waffe in seinen Händen.
»Wie sind Sie darauf gekommen, dass ich Ihnen zuhören würde? Dass ich das tun werde?«
»Wie gesagt, man bildet sich ein Urteil über jemand. Ich habe mir eins über Sie gebildet. Sie werden es tun. Oder das Monster, das Sie freilassen, wird Sie Ihr ganzes Leben lang verfolgen. Wenn Gott wirklich in den Augen Ihrer Tochter ist, wie wollen Sie sie dann jemals wieder ansehen können?«
McCaleb nickte automatisch und fragte sich sofort, worauf er sich da eigentlich einließ.
»Ich weiß noch, wie Sie mir mal was gesagt haben«, fuhr Bosch fort. »Sie haben gesagt, wenn Gott im Detail steckt, dann steckt auch der Teufel drin. Was heißen sollte: Die Person, die wir suchen, ist normalerweise direkt vor unserer Nase, nur versteckt sie sich die ganze Zeit in den Details. Das halte ich mir immer vor Augen. Es hilft mir immer noch.«
Wieder nickte McCaleb. Er blickte auf die Dokumente auf dem Boden hinab.
»Hören Sie, Harry, Sie sollten sich über eins im Klaren sein: Ich war mir vollkommen sicher, als ich Jaye das alles zeigte. Ich weiß nicht, ob ich vom Gegenteil überzeugt werden kann. Wenn Sie Hilfe suchen, bin ich wahrscheinlich der falsche Mann für Sie.«
Bosch schüttelte den Kopf und lächelte.
»Genau aus diesem Grund sind Sie der richtige. Wenn Sie vom Gegenteil überzeugt werden können, kann es auch der Rest der Welt.«
»Klar, und wo waren Sie am Silvesterabend? Warum fangen wir nicht damit an?«
Bosch zuckte die Achseln.
»Zu Hause.«
»Allein?«
Bosch zuckte wieder die Achseln und antwortete nicht. Er stand auf, um zu gehen. Mit den Händen in den Taschen seiner Jacke ging er durch die schmale Tür und stieg die Treppe zur Kajüte hinauf. McCaleb, der die Glock inzwischen an seiner Seite hielt, folgte ihm.
Mit der Schulter schob Bosch die Tür auf und trat ins Cockpit hinaus. Er blickte zu der Kathedrale am Abhang des Hügels hinauf und dann zu McCaleb.
»War dann dieses ganze Gerede bei mir zu Hause, von wegen Gottes Hand finden und so, war das alles nur Gelaber? Irgend so eine Verhörtechnik oder was? Eine Aussage, um eine Reaktion aus mir rauszukitzeln, die in ein Psychogramm passen könnte?«
McCaleb schüttelte den Kopf.
»Nein, das war kein Gelaber.«
»Gut. Das habe ich auch gehofft.«
Bosch kletterte über den Heckbalken auf den Sporn. Er band sein Leihboot los, stieg hinein und setzte sich auf die hintere Sitzbank. Bevor er den Motor startete, sah er noch einmal McCaleb an und deutete auf das Heck des Boots.
»The Following Sea. Was bedeutet das?«
»Der Name ist von meinem Vater. Es hat ursprünglich ihm gehört. Die folgende See ist die Welle, die von hinten kommt, die einen erwischt, bevor man sie kommen sieht. Ich schätze, es sollte so eine Art Warnung sein, dass er das Boot so genannt hat. Sie wissen schon, dass man immer ein Auge auf das hat, was hinter einem passiert.«
Bosch nickte.
»In Vietnam haben wir das ›Achte auf die Sechs‹ genannt.«
Jetzt nickte McCaleb.
»Das ist das Gleiche.«
Sie schwiegen einen Moment. Bosch griff nach dem Anlasserseil, zog aber noch nicht daran.
»Sind Sie ein wenig mit der Geschichte dieser Insel vertraut, Terry? Ich meine, noch bevor die Missionare kamen.«
»Nein, Sie denn?«
»Ein bisschen. Ich
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