Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
Nacht?«
»Ja, ich rief Boschs Pager an und kurz darauf meldete er sich bei uns. Ich sagte ihm, dass wir Gunn wieder hier hatten, und dann kam er vorbei und versuchte mit ihm zu reden. Ich versuchte ihn zu überreden, bis zum Morgen zu warten, weil er total betrunken war – Gunn, meine ich –, aber Harry kam trotzdem her. Warum wollen Sie so viel über Harry Bosch wissen?«
Da Winston nicht antwortete, sprang McCaleb ein.
»Wollen wir nicht. Uns interessiert Gunn.«
»Ja, das ist auch schon alles, was ich weiß. Kann ich jetzt gehen? War ein langer Tag.«
»Sind sie das nicht alle?«, sagte Winston. »Vielen Dank, Sergeant.«
Sie verließen den Schalterbereich und gingen auf die Treppe hinaus.
»Was meinen Sie?«, fragte Winston.
»Für mich hörte es sich recht glaubhaft an. Aber wissen Sie was? Warten wir doch noch ein paar Minuten an der Parkplatzausfahrt.«
»Warum?«
»Tun Sie mir einfach den Gefallen. Damit wir sehen, mit was für einem Auto der Sergeant nach Hause fährt.«
»Sie stehlen mir meine Zeit, Terry.«
Trotzdem stiegen sie in McCalebs Cherokee und fuhren um den Block zur Einfahrt des Hollywood-Station-Parkplatzes. McCaleb parkte fünfzig Meter weiter neben einem Feuerhydranten und stellte den Seitenspiegel so ein, dass er jedes Auto, das vom Parkplatz fuhr, sehen konnte. So saßen sie ein paar Minuten schweigend da, bis Winston sich räusperte.
»Wenn wir sind, was wir fahren, was sind dann Sie?«
McCaleb lächelte.
»Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Ein Cherokee … da bin ich wohl der Letzte meines Stammes oder so was.«
Er sah sie kurz an und blickte dann wieder in den Spiegel.
»Aha, und diese Staubschicht auf allem drauf, was –«
»Achtung. Das muss er sein.«
McCaleb sah ein Auto vom Parkplatz fahren und nach links in ihre Richtung biegen.
»Er kommt auf uns zu.«
Keiner von beiden bewegte sich. Der Wagen kam näher und blieb direkt neben ihnen stehen. Als McCaleb beiläufig den Kopf drehte, traf sich sein Blick mit dem Zuckers. Der Cop ließ sein Beifahrerfenster herunter. McCaleb blieb keine Wahl. Er ließ seines herunter.
»Sie stehen neben einem Hydranten, Detective. Passen Sie auf, dass Sie keinen Strafzettel kriegen.«
McCaleb nickte. Zucker salutierte mit zwei Fingern und fuhr weiter. McCaleb stellte fest, dass er einen alten Crown Victoria fuhr. Es war ein gebrauchter Streifenwagen, eine dieser Kisten, die man bei einer Versteigerung für vierhundert Dollar nachgeworfen bekommt und dann für $89,95 neu lackieren lässt.
»Stehen wir jetzt nicht wie zwei Arschlöcher da?«, sagte Winston.
»Allerdings.«
»Und wie lautet Ihre Theorie zu seinem Auto?«
»Entweder ist er ein ehrlicher Cop oder er fährt mit der Rostlaube zum Dienst, weil er nicht will, dass die Leute den Porsche sehen.«
Er machte eine Pause.
»Oder den Z3.«
Er wandte sich ihr zu und lächelte.
»Wirklich witzig, Terry. Und was jetzt? Irgendwann muss ich heute auch noch was Vernünftiges erledigen. Und mit Ihren Freunden vom FBI soll ich mich heute Vormittag auch noch treffen.«
»Halten Sie sich an mich – und außerdem sind sie nicht meine Freunde.«
Er startete den Cherokee und fuhr los.
»Finden Sie wirklich, dieses Auto ist schmutzig?«, fragte er.
36
D as Postamt in der Wilcox war ein großes Gebäude aus dem Zweiten Weltkrieg, dessen acht Meter hohe Wände Fresken mit idyllischen Szenen von Brüderlichkeit und guten Taten zierten. McCaleb sah sich die Wandgemälde sehr genau an, allerdings nicht wegen ihres künstlerischen oder philosophischen Gehalts. Er zählte insgesamt drei kleine Kameras, die über den öffentlich zugänglichen Bereichen des Postamts angebracht waren. Er zeigte sie Winston. Es bestand eine gewisse Chance.
Sie stellten sich an, und als sie an der Reihe waren, zeigte Winston ihre Dienstmarke und fragte nach dem diensthabenden Sicherheitsbeamten. Sie wurden zu einer Tür neben einer Reihe von Verkaufsautomaten geschickt, wo sie fast fünf Minuten warten mussten, bevor die Tür aufging und ein kleiner Schwarzer mit grauen Haaren nach draußen blickte.
»Mr. Lucas?«, fragte Winston.
»Das bin ich«, sagte der Mann lächelnd.
Winston zeigte wieder einmal ihre Dienstmarke und stellte McCaleb diesmal nur namentlich vor. Auf der Fahrt von der Hollywood Station hierher hatte ihr McCaleb klargemacht, dass es nichts brächte, ihn als ihren Mitarbeiter zu bezeichnen.
»Wir ermitteln in einem Mordfall, Mr. Lucas, und ein wichtiges Beweisstück
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