Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
viele Kassetten zurückgelegt. Die Inspektoren kommen her und holen sie ab. Oder wir schicken sie in die Zentrale.«
»Das ist uns durchaus klar, Mr. Lucas«, sagte Winston. Ihr dringlicher Tonfall deutete darauf hin, dass sie zum selben Schluss gelangt war wie McCaleb. »Können Sie die Aufnahmegeräte bitte anhalten oder die Kassetten in ihnen austauschen? Wir überspielen gerade etwas, was sich als wertvolles Beweismaterial erweisen könnte.«
»Sofort«, sagte Lucas.
Aber er griff nur in die Schachtel mit neuen Kassetten und nahm vier heraus. Dann pulte er Etiketten von einer Rolle und brachte sie an den Kassetten an. Er nahm den Stift, den er sich hinters Ohr geklemmt hatte, und schrieb das Datum und eine Art Code auf die Etiketten. Dann, endlich, nahm er die Kassetten aus den Videorecordern und ersetzte sie durch die neuen Bänder.
»Und wie wollen Sie nun im Weiteren verfahren? Diese Bänder sind Eigentum der Post. Sie dürfen dieses Gebäude nicht verlassen. Ich kann Ihnen hier am Schreibtisch alles aufbauen. Ich habe einen tragbaren Fernseher mit eingebautem Videorecorder, wenn Sie den benutzen wollen.«
»Ist es wirklich nicht möglich, sie nur für heute auszuleihen?«, fragte Winston. »Ich könnte sie Ihnen bis –«
»Nicht ohne eine gerichtliche Anordnung. Das ist, was mir Mr. Preechnar gesagt hat. Das ist, woran ich mich halten werde.«
»Dann bleibt uns wohl keine andere Wahl.« Winston sah McCaleb an und schüttelte frustriert den Kopf.
Während Lucas den Fernseher holen ging, beschlossen McCaleb und Winston, dass McCaleb hierbleiben und sich die Bänder ansehen würde, während Winston zu ihrem 11-Uhr-Termin mit Twilley und Friedman vom FBI in ihr Büro fuhr. Sie sagte, sie würde ihnen nichts davon erzählen, dass McCaleb sich in Hinblick auf Bosch möglicherweise geirrt hatte und neue Ermittlungen anstellte. Sie würde die Mordakte und das Tatortvideo zurückgeben.
»Ich weiß, Sie glauben nicht an Zufälle, aber das ist im Moment alles, was Sie haben, Terry. Wenn Sie auf dem Video was entdecken, gehe ich damit zum Captain und dann machen wir Twilley und Friedman zur Schnecke. Aber bis dahin … bin ich immer noch bei der Polizei und brauche etwas mehr als einen Zufall, um mich auf etwas anderes zu konzentrieren als auf Bosch.«
»Was ist mit dem Anruf bei Tafero?«
»Welcher Anruf?«
»Irgendwie muss er erfahren haben, dass Gunn in der Arrestzelle war. Denn er kam prompt angerückt und holte ihn raus – damit sie ihn am Abend umbringen und das Ganze Bosch anhängen konnten.«
»Ich weiß nicht, wer ihn angerufen hat – wenn es Zucker nicht war, war es vermutlich jemand anders in der Station, mit dem er eine Abmachung getroffen hatte. Und der Rest von dem, was Sie gerade gesagt haben, ist reine Spekulation, die Sie nicht mit einem konkreten Faktum untermauern können.«
»Ich glaube, es ist –«
»Schluss jetzt, Terry. Ich will es nicht hören, solange Sie nichts zu seiner Untermauerung haben. Ich muss jetzt endlich an die Arbeit.«
Wie auf ein Stichwort kam Lucas mit einem Wagen zurück, auf dem ein kleines Fernsehgerät stand.
»Ich baue Ihnen alles auf«, sagte er.
»Mr. Lucas, ich habe einen Termin«, sagte Winston. »Mein Kollege wird sich die Videos ansehen. Danke für Ihre Hilfe.«
»Gern geschehen, Ma’am.«
Winston sah McCaleb an.
»Wir telefonieren.«
»Soll ich Sie zu Ihrem Wagen zurückfahren?«
»Er steht nur ein paar Straßen weiter. Ich gehe zu Fuß.«
Er nickte.
»Viel Erfolg bei der Jagd.«
McCaleb nickte. Das hatte sie ihm schon einmal bei einem anderen Fall gewünscht, der nicht so gut für ihn ausgegangen war.
37
L angwiser und Kretzler sagten Bosch, sie würden an ihrem Vorhaben festhalten, die Präsentation ihrer Beweise bis zum Ende des Tages abzuschließen.
»Jetzt machen wir den Sack zu«, sagte Kretzler lächelnd. Er genoss den Adrenalinschub, der mit der Entscheidung einherging, den Abzug zu drücken. »Bis wir fertig sind, hat er keine Chance mehr, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Heute rücken wir mit Hendricks und Crowe an. Wir haben alles, was wir brauchen.«
»Bis auf ein Motiv«, sagte Bosch.
»Bei einer Straftat, die eindeutig das Werk eines Psychopathen ist, spielt das Motiv keine Rolle«, sagte Langwiser. »Die Geschworenen werden am Ende des heutigen Tages nicht in ihr Beratungszimmer zurückgehen und sagen: ›Schön und gut, aber was war sein Motiv?‹ Sie werden sagen, dieser Kerl ist absolut krank und …«
Ihre
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