Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
zu.
Als er die offene Tür erreichte, konnte er in den Raum dahinter blicken. In den Ecken waren zwei große Fernsehgeräte und um den großen Besprechungstisch in der Mitte drängten sich die Leute. Reporter. Sie tippten auf Laptops, machten sich auf Blöcken Notizen, aßen Sandwiches. Die Mitte des Tisches stand voll mit Plastikbechern für Kaffee und Softdrinks.
Als McCaleb zu einem der Fernseher hochblickte, sah er, dass das Gericht immer noch tagte, obwohl es schon nach Mittag war. Die Kamera erfasste einen großen Ausschnitt des Saals und er entdeckte Harry Bosch an der Seite eines Mannes und einer Frau am Tisch der Anklage. Es sah nicht so aus, als achte er auf das Geschehen im Saal. An einem Pult zwischen den Tischen von Anklage und Verteidigung stand ein Mann, in dem McCaleb den leitenden Strafverteidiger, J. Reason Fowkkes, erkannte. An einem Tisch zu seiner Linken saß der Angeklagte, David Storey.
Obwohl McCaleb den Ton nicht hören konnte, wusste er, dass Fowkkes nicht sein Eröffnungsplädoyer hielt. Er blickte nämlich zum Richter hoch, nicht in Richtung Geschworenenbank. Höchstwahrscheinlich erörterten die Anwälte noch in letzter Minute eingereichte Anträge, bevor die eigentliche Verhandlung begann. Die zwei Fernsehbildschirme wechselten zu einer anderen Kamera, die direkt auf den Richter gerichtet war, der im selben Moment zu sprechen begann, offensichtlich, um seine speziellen Prozessregeln bekanntzugeben. Auf dem Namensschild vor ihm stand: Superior Court Judge John A. Houghton.
»Agent McCaleb?«
McCaleb wandte sich vom Fernseher ab. Neben ihm stand ein Mann, der ihm zwar bekannt vorkam, den er aber nicht sofort einordnen konnte.
»Nur noch McCaleb. Terry McCaleb.«
Der Mann merkte, was McCalebs Problem war, und reichte ihm die Hand.
»Jack McEvoy. Ich habe Sie mal interviewt. Allerdings sehr kurz. In Zusammenhang mit den Poet-Ermittlungen.«
»Ach ja, stimmt, jetzt erinnere ich mich wieder. Das ist schon eine Weile her.«
McCaleb schüttelte McEvoy die Hand. Er konnte sich an ihn erinnern. Er war in den Poet-Fall einbezogen worden und hatte hinterher ein Buch darüber geschrieben. McCaleb hatte nur am Rande mit dem Fall zu tun gehabt – als sich der Schwerpunkt der Ermittlungen nach Los Angeles verlagert hatte. Er hatte McEvoys Buch nie gelesen, war aber sicher, dass er nichts Neues dazu beigetragen hatte und wahrscheinlich nicht darin erwähnt worden war.
»Sind Sie nicht aus Colorado?« Ihm fiel ein, dass McEvoy für eine Zeitung in Denver gearbeitet hatte. »Hat man Sie von dort hergeschickt, um über den Fall zu berichten?«
McEvoy nickte.
»Gutes Gedächtnis. Damals war ich noch in Denver, aber inzwischen lebe und arbeite ich hier. Als Freier.«
McCaleb nickte und überlegte, was es sonst noch zu sagen gäbe.
»Für wen berichten Sie jetzt über den Fall?«
»Ich schreibe für die New Times jede Woche einen Bericht darüber. Lesen Sie die?«
McCaleb nickte. Er kannte die New Times. Sie war ein wöchentlich erscheinendes, zur Sensationsmache neigendes Boulevardblatt, das nicht mit Kritik an der Polizei geizte. Zu finanzieren schien sie sich hauptsächlich mit den umfangreichen Annoncen im hinteren Teil, die sich speziell auf den Unterhaltungssektor konzentrierten und das ganze Spektrum von Kinoanzeigen bis zu Escort Services abdeckten. Die New Times war kostenlos und Buddy hatte ständig ein Heft davon auf dem Boot herumliegen. Deshalb hatte McCaleb von Zeit zu Zeit einen Blick in das Blatt geworfen, ohne jedoch auf McEvoys Namen gestoßen zu sein.
»Außerdem schreibe ich für Vanity Fair gerade einen mehr allgemein gehaltenen Artikel«, fuhr McEvoy fort. »Sie wissen schon, über die Schattenseiten Hollywoods. Und vielleicht schreibe ich auch noch ein Buch. Doch was führt Sie hierher? Sind Sie … irgendwie verwickelt in diesen …«
»Ich? Nein. Ich war gerade in der Gegend, und ein Freund von mir hat mit der Sache zu tun. Ich hatte eigentlich nur gehofft, dass ich eine Gelegenheit finde, ihm guten Tag zu sagen.«
Als er die Lüge aussprach, wandte McCaleb den Blick von dem Journalisten ab und sah durch die Tür auf einen der Bildschirme. Jetzt war dort wieder die Großansicht des Gerichtssaals zu sehen. Bosch schien damit beschäftigt, seine Sachen in einen Aktenkoffer zu packen.
»Harry Bosch?«
McCaleb sah wieder McEvoy an.
»Ja, Harry. Wir haben früher mal gemeinsam an einem Fall gearbeitet … äh, was ist da drinnen eigentlich gerade los?«
»Die
Weitere Kostenlose Bücher