Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
letzten Anträge, bevor sie anfangen. Sie haben mit einer geschlossenen Sitzung begonnen und jetzt klären sie gerade irgendwelche Formalitäten. Lohnt sich nicht, im Saal zu sein. Alle denken, der Richter wird wahrscheinlich vor dem Mittagessen Schluss machen und dann den Anwälten den Rest des Tages zur Verfügung stellen, ihre Eröffnungsplädoyers vorzubereiten. Sie fangen morgen um zehn an. Wenn Sie glauben, hier ist es jetzt schon voll, dann warten Sie erst mal bis morgen.«
McCaleb nickte.
»Ach so, na ja dann. Äh, schön, Sie mal wieder gesehen zu haben, Jack. Viel Erfolg mit der Story. Und dem Buch, wenn was daraus wird.«
»Wissen Sie, ich hätte gern Ihre Lebensgeschichte geschrieben. Sie wissen schon, das mit Ihrem Herzen und alles.«
McCaleb nickte.
»Ich war aber Keisha Russell einen Gefallen schuldig, und sie hat ihre Sache ja auch gut gemacht.«
McCaleb merkte, wie sich die ersten Leute aus dem Presseraum zu drängen begannen. Auf den Bildschirmen hinter ihnen konnte er sehen, dass der Richter seinen Platz verlassen hatte. Die Verhandlung war geschlossen.
»Ich gehe mal lieber wieder zurück. Mal sehen, ob ich Harry erwische. Hat mich gefreut, Jack.«
McCaleb reichte ihm die Hand und McEvoy schüttelte sie. Dann folgte er den anderen Journalisten zum Ausgang des Gerichtssaals.
Die Tür von Department N wurde von den zwei Deputies geöffnet und heraus strömte die Menge der glücklichen Zeitgenossen, die für eine vermutlich tödlich langweilige Verhandlung Plätze bekommen hatten. Diejenigen, die nicht hineingekommen waren, drängten näher heran, um einen Blick auf eine Berühmtheit zu erhaschen, wurden aber enttäuscht. Die Prominenz würde sich erst am kommenden Tag zu zeigen beginnen. Eröffnungsplädoyers waren wie der Vorspann eines Films – etwas, worin man gesehen werden wollte.
Das Ende der herausströmenden Menge bildeten die Anwälte und das Gerichtspersonal. Storey war in seine Zelle zurückgebracht worden, aber sein Anwalt steuerte schnurstracks auf den Halbkreis von Reportern zu und begann über seine Eindrücke von den Entwicklungen im Saal zu sprechen. Um ihm den Rücken zu decken, postierte sich direkt hinter ihm ein großer Mann mit pechschwarzem Haar, tief brauner Haut und wachsamen grünen Augen. Er war eine sehr auffällige Erscheinung und McCaleb bildete sich ein, ihn zu kennen, konnte sich aber nicht erinnern, woher. Er sah wie einer der Schauspieler aus, mit denen Storey seine Filme normalerweise besetzte.
Als die Ankläger nach draußen kamen, waren auch sie bald von Journalisten umringt. Ihre Antworten waren kürzer als die des Verteidigers. Wurden sie nach den Beweisen gefragt, die sie vorlegen würden, lehnten sie oft jeden Kommentar ab.
McCaleb hielt nach Bosch Ausschau und sah ihn schließlich als Letzten nach draußen schlüpfen. Er drückte sich, immer dicht an der Wand entlang, an der Menge vorbei und steuerte auf die Lifte zu. Als eine Journalistin auf ihn zustürzte, hob er die Hand und winkte sie fort. Sie blieb stehen und kehrte wie ein freies Molekül zu der Meute um J. Reason Fowkkes zurück.
McCaleb folgte Bosch den Gang hinunter und holte ihn ein, als er stehenblieb, um auf einen Lift zu warten.
»Hallo, Harry Bosch.«
Bosch hatte bereits seine Kein-Kommentar-Miene aufgesetzt, als er sich herumdrehte, doch dann sah er, es war McCaleb.
»Hey … McCaleb.«
Er lächelte. Die Männer schüttelten sich die Hände.
»Sieht nach dem übelsten Glamour-Fall seit langem aus«, bemerkte McCaleb.
»Das können Sie laut sagen. Was machen Sie hier? Erzählen Sie mir bloß nicht, Sie schreiben ein Buch über den Fall.«
»Wie bitte?«
»Heute schreiben doch alle diese ehemaligen FBI-Typen Bücher.«
»Zu denen gehöre ich nicht. Ich hatte allerdings gehofft, Sie vielleicht zum Mittagessen einladen zu dürfen. Es gibt da nämlich was, worüber ich gern mit Ihnen sprechen würde.«
Bosch sah auf seine Uhr und überlegte.
»Über Edward Gunn.«
Bosch blickte zu ihm auf.
»Jaye Winston?«
McCaleb nickte.
»Sie hat mich gebeten, mal einen Blick reinzuwerfen.«
Der Lift kam und sie betraten ihn mit einer Reihe anderer Leute, die im Gerichtssaal gewesen waren. Alle schienen Bosch zu beobachten, auch wenn sie versuchten, es sich nicht anmerken zu lassen. McCaleb beschloss, nicht weiterzusprechen, solange sie nicht ausgestiegen waren.
Im Erdgeschoss angekommen, gingen sie zum Ausgang.
»Ich habe ihr versprochen, ein Täterprofil zu erstellen. Auf die
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