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Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht

Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht

Titel: Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Leid, dass ich Sie von der Arbeit abhalte. Sie haben sicher eine Menge zu tun. Da sind nur ein paar Fragen zum Fall Gunn, die ich gern geklärt hätte. Aber ich wollte Ihnen auch was sagen. Das heißt, eigentlich zeigen.«
    Er zog seine Geldbörse aus der Gesäßtasche, klappte sie auf und nahm ein Foto heraus. Er reichte es Bosch. Das Foto hatte die Wölbung der Geldbörse angenommen. Es war ein dunkelhaariges Baby in den Armen einer dunkelhaarigen Frau darauf zu sehen.
    »Das ist meine Tochter, Harry. Und meine Frau.«
    Bosch nickte und betrachtete das Foto. Sowohl Mutter als auch Kind hatten dunkles Haar und dunkle Haut und waren sehr schön. Er wusste, in McCalebs Augen waren sie es vermutlich noch viel mehr.
    »Sehr schön«, sagte er. »Das Baby sieht aus, als wäre es gerade auf die Welt gekommen. So winzig.«
    »Inzwischen ist es vier Monate. Das Foto ist allerdings schon einen Monat alt. Was ich Ihnen gestern Mittag ganz zu erzählen vergessen habe: Wir haben sie Cielo Azul genannt.«
    Bosch sah von dem Foto zu McCalebs Augen auf. Er ließ seinen Blick einen Moment auf ihnen ruhen, bevor er nickte.
    »Finde ich gut.«
    »Ja, ich habe Graciela erklärt, dass ich das gern wollte und warum. Sie hielt es für eine gute Idee.«
    Bosch gab das Foto zurück.
    »Hoffentlich sieht die Kleine es eines Tages auch so.«
    »Das hoffe ich. Meistens nennen wir sie CiCi. Erinnern Sie sich übrigens noch an den Abend hier oben, als Sie immer wieder fragten, was mit der Hand Gottes wäre und dass Sie sie in nichts mehr erkennen könnten? Genauso ging es mir auch. Ich hatte den Glauben an sie verloren. Eigentlich kein Wunder bei diesem Job. Doch dann …«
    Er hielt das Foto hoch.
    »Hier ist sie wieder. Ich habe sie wieder gefunden. Die Hand Gottes. Ich sehe sie in ihren Augen.«
    Bosch sah ihn lang an, dann nickte er.
    »Das freut mich für Sie, Terry.«
    »Ich meine, ich will mich hier nicht groß aufspielen wie … Ich meine, ich will Sie hier nicht bekehren oder was. Ich will damit eigentlich nur sagen, dass ich diese Sache, die gefehlt hat, gefunden habe. Und da ich nicht weiß, ob Sie immer noch danach suchen … jedenfalls, ich wollte Ihnen einfach nur sagen, dass sie irgendwo da draußen ist. Geben Sie nicht auf.«
    Bosch blickte von McCaleb weg und durch die Glastür in die Dunkelheit hinaus.
    »Für manche Leute ist es sicher so.«
    Er trank sein Bier aus und kehrte in die Küche zurück, um seinen Vorsatz zu brechen, es nur bei einem zu belassen. Er rief zu McCaleb ins Wohnzimmer zurück, ob er auch noch eins wollte, aber sein Besucher lehnte dankend ab. Als er sich in den offenen Kühlschrank beugte und die kühle Luft über sein Gesicht streichen spürte, hielt er kurz inne und schloss die Augen. Er dachte an das, was McCaleb gerade gesagt hatte.
    »Glauben Sie nicht, dass Sie einer von ihnen sind?«
    Der Klang von McCalebs Stimme ließ Bosch hochfahren. Er stand im Durchgang zur Küche.
    »Was?«
    »Sie haben gesagt, dass es für manche Leute irgendwo da draußen ist. Glauben Sie nicht, dass Sie zu ihnen gehören?«
    Bosch nahm ein Flasche Bier aus dem Kühlschrank und schob sie in den an der Wand befestigten Öffner. Er machte sie auf und nahm einen tiefen Schluck, bevor er antwortete.
    »Was soll das werden, Terry, zwanzig Fragen? Haben Sie vor, Priester zu werden oder was?«
    McCaleb schüttelte lächelnd den Kopf.
    »Entschuldigung, Harry. Typisch frisch gebackener Vater, wissen Sie? Wahrscheinlich will ich einfach alle Welt an meinem Glück teilhaben lassen, mehr nicht.«
    »Das ist ja wirklich nett von Ihnen, aber wollten Sie eigentlich nicht über Gunn reden?«
    »Natürlich.«
    »Gehen wir nach draußen und sehen uns die Nacht an.«
    Sie gingen auf die Terrasse und betrachteten die Aussicht. Der Freeway 101 war das übliche Lichterband, eine leuchtende Ader, die die Berge durchschnitt. Der Himmel war klar, der Smog durch den Regen vor einer Woche fortgespült. Die Lichter auf der Sohle des Valley schienen sich ins Unendliche zu erstrecken. Näher beim Haus, auf dem mit Gestrüpp bewachsenen Abhang unter der Terrasse, herrschte nur Dunkelheit. Bosch konnte den Eukalyptus riechen; er war nach dem Regen immer am intensivsten.
    McCaleb begann als Erster zu sprechen.
    »Ein schönes Haus haben Sie, Harry. Toller Platz. Muss schrecklich sein, jeden Morgen in diese Pest da hinunterzufahren.«
    Bosch sah ihn an.
    »Nicht, solange ich ab und zu noch das Gefühl habe, gegen die Befallenen eine Chance zu haben.

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