Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
Sie vorsichtig da draußen.«
»Sie auch, Harry. Und vielen Dank auch für das Bier.«
»Keine Ursache.«
Er begleitete McCaleb zur Tür und beobachtete dann, wie er in einen am Straßenrand geparkten schwarzen Cherokee stieg. Der Wagen sprang sofort an und entfernte sich, sodass Bosch allein in der beleuchteten Eingangstür zurückblieb.
Bosch schloss ab und machte das Licht im Wohnzimmer aus. Die Stereoanlage ließ er an. Am Ende von Art Peppers klassischem Moment im Lauf der Zeiten würde sie sich automatisch abschalten. Es war noch früh, aber der Stress des Tages und der Alkohol in seinem Blut hatten Bosch müde gemacht. Er beschloss, sich gleich schlafen zu legen und dafür früh aufzustehen, um sich auf seine Zeugenaussage vorzubereiten. Er ging in die Küche und holte die letzte Flasche Bier aus dem Kühlschrank.
Auf dem Weg ins Schlafzimmer blieb er im Flur stehen und betrachtete das gerahmte Bild, das McCaleb erwähnt hatte. Es war eine Reproduktion von Hieronymus Boschs Gemälde Der Garten der Lüste. Er hatte es schon lang, seit seiner Jugend. Die Oberfläche des Drucks war gewellt und zerkratzt. Er befand sich in schlechtem Zustand. Es war Eleanor gewesen, die es aus dem Wohnzimmer in den Flur gehängt hatte. Sie hatte es nicht an der Stelle hängen haben wollen, wo sie jeden Abend saßen. Bosch hatte nie herausgefunden, ob es wegen der Darstellungen auf dem Bild war oder weil der Druck alt und beschädigt war.
Während er nun die menschliche Landschaft der Ausschweifung und Qualen betrachtete, die auf dem Gemälde abgebildet war, überlegte er, ob er es an seinen alten Platz im Wohnzimmer zurückhängen sollte.
* * *
In seinem Traum bewegte sich Bosch durch dunkles Wasser, in dem er die eigenen Hände nicht vor den Augen sehen konnte. Als er ein Läuten hörte, schob er sich durch die Dunkelheit nach oben.
Er wurde wach. Das Licht war an, aber es war alles still. Die Stereoanlage war aus. Er wollte gerade auf die Uhr sehen, als das Telefon wieder läutete. Er nahm es rasch vom Nachttisch.
»Ja.«
»Hallo, Harry, hier Kiz.«
Seine alte Partnerin.
»Kiz, was gibt’s?«
»Alles okay bei dir? Du klingst etwas … neben der Kappe.«
»Nein, nein. Ich bin nur … ich habe schon geschlafen.«
Er sah auf seine Uhr. Es war kurz nach zehn.
»Entschuldigung, Harry, ich dachte, du wärst noch am Arbeiten, dich auf morgen vorbereiten.«
»Ich werde früh aufstehen und es dann machen.«
»Du hast dich heute echt wacker geschlagen. Wir hatten im Bereitschaftsraum den Fernseher an. Alle haben dir die Daumen gedrückt.«
»Das will ich doch hoffen. Wie geht’s dir da unten?«
»Es geht so. Ich muss sozusagen noch mal ganz von vorn anfangen. Mich erst wieder bewähren.«
»Mach dir deswegen mal keine Gedanken. Diese Typen hast du schnellstens abgehängt. Genau wie mich.«
»Harry … du bist einsame Spitze. Ich habe mehr von dir gelernt, als du auch nur ahnen kannst.«
Bosch zögerte. Er war aufrichtig gerührt über das, was sie gesagt hatte.
»Das ist aber nett von dir, Kiz. Du solltest mich öfter anrufen.«
Sie lachte.
»Das ist aber nicht der Grund, weshalb ich anrufe. Ich tue es für eine Freundin. Erinnert mich zwar an meine Schulzeit, aber was tut man nicht alles für seine Freunde. Da ist jemand, der sich für dich interessiert. Ich habe ihr versprochen, mal vorzufühlen, ob du wieder auf Pirsch bist, wenn du weißt, was ich meine?«
Bosch musste keine Sekunde überlegen, bevor er antwortete.
»Nein, Kiz, bin ich nicht. Ich … ich habe Eleanor noch nicht aufgegeben. Ich hoffe immer noch, dass sie anruft oder wieder auftaucht und wir uns wieder zusammenraufen. Du weißt ja, wie das ist.«
»Allerdings. Ist auch völlig in Ordnung, Harry. Ich habe ihr nur versprochen, mal vorzufühlen. Aber wenn du dir’s mal anders überlegen solltest, sie ist schwer in Ordnung.«
»Kenne ich sie?«
»Ja, du kennst sie. Jaye Winston, vom Sheriff’s Department. Wir sind zusammen in einer Frauengruppe. Dicks Without Dicks. Wir sind heute Abend auf dich zu sprechen gekommen.«
Bosch sagte nichts. Sein Magen zog sich leicht zusammen. Er glaubte nicht an Zufälle.
»Harry, bist du noch dran?«
»Klar bin ich noch dran. Ich musste nur grade an was denken.«
»Na, dann störe ich dich nicht mehr länger. Ach, und noch was. Jaye hat mich gebeten, dir ihren Namen nicht zu sagen. Weißt du, sie wollte sich nur nach dir erkundigen und mal ganz anonym ihre Fühler ausstrecken. Damit es nicht peinlich
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