Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
versuchte sich auf das zu konzentrieren, was Langwiser sagte, aber er war auch neugierig, warum McCaleb den weiten Weg in die Hügel herauf gekommen war, um ihn zu besuchen.
»Hören Sie mir überhaupt zu, Harry?«
»Klar. Was haben Sie als Letztes gesagt?«
»Ich habe gesagt: Glauben Sie, Shootin’ Houghton wird den Prozess verschieben, wenn wir ein neues Ermittlungsverfahren einleiten.«
Bosch musste nicht lang überlegen, um das zu beantworten.
»Auf gar keinen Fall. Die Show muss weitergehen.«
»Ja, das dachte ich eigentlich auch. Ich werde mal Roger anrufen und sehen, was er machen will. Trotzdem, das soll unsere geringste Sorge sein. Sobald Sie im Zeugenstand Alicia Lopez erwähnen, geht es hart auf hart.«
»Ich dachte, diesen Kampf hätten wir schon ausgefochten. Houghton hat –«
»Das heißt nicht, dass Fowkkes es nicht noch mal versucht. Wir sind noch keineswegs aus dem Schneider.«
Darauf trat eine Pause ein. Sie hatte nicht besonders zuversichtlich geklungen.
»Dann bis morgen, Harry.«
»Alles klar, Janis, bis morgen.«
Bosch machte das Telefon aus und legte es in die Feststation in der Küche. Als er die Küche wieder verließ, stand McCaleb im Wohnzimmer und blickte auf das Regal über der Stereoanlage, auf ein gerahmtes Foto von Boschs Frau.
»Was gibt’s, Terry?«
»Hallo, Harry, tut mir Leid, dass ich so unangemeldet hier reinplatze. Aber da ich Ihre Nummer nicht habe, konnte ich nicht vorher anrufen.«
»Wie haben Sie überhaupt hergefunden? Möchten Sie ein Bier oder sonst was zu trinken?«
Bosch deutete auf McCalebs Brust.
»Dürfen Sie überhaupt Bier trinken?«
»Inzwischen ja. Habe eben erst die Erlaubnis gekriegt. Ich darf wieder was trinken. In Maßen natürlich. Ein Bier wäre nicht schlecht.«
Bosch ging in die Küche. McCaleb sprach im Wohnzimmer weiter.
»Ich war schon mal hier. Wissen Sie nicht mehr?«
Bosch kam mit zwei offenen Flaschen Anchor Steam zurück. Eine reichte er McCaleb.
»Möchten Sie ein Glas? Wann waren Sie schon mal hier?«
McCaleb nahm die Flasche.
»Cielo Azul.«
Boschs erste Frage beantwortete er mit einem langen Schluck aus der Flasche .
Cielo Azul, dachte Bosch und dann fiel es ihm ein. Einmal hatten sie sich auf der Terrasse hinter dem Haus betrunken, um die Ecken und Kanten eines Falls abzuschleifen, der zu schrecklich gewesen war, um in nüchternem Zustand ausführlicher bedacht zu werden. Wie er sich erinnerte, war es ihm am nächsten Tag furchtbar peinlich gewesen, dass er die Kontrolle über sich verloren und ständig mit alkoholschwerer Zunge gefragt hatte: »Wo ist Gottes Hand, wo ist Gottes Hand?«
»Ach ja«, sagte Bosch. »Einer meiner großen existentialistischen Momente.«
»Ja. Aber das Haus ist anders. Ist das alte beim Erdbeben den Abhang runtergerutscht?«
»Fast. Jedenfalls wurde es danach gesperrt. Musste noch mal von Grund auf neu gebaut werden.«
»Deshalb. Ich habe es nicht wieder erkannt. Als ich hier hochfuhr, habe ich ständig nach dem alten Haus Ausschau gehalten. Aber dann sah ich das Polizeiauto und dachte, einen zweiten Cop wird es hier in der Gegend wohl kaum geben.«
Bosch dachte an seinen schwarz-weißen Dienstwagen draußen im Carport. Er hatte keine Lust gehabt, extra zur Polizeistation zurückzufahren, um ihn gegen seinen eigenen Wagen auszutauschen. Außerdem konnte er so am nächsten Morgen direkt ins Gericht fahren und sparte auf diese Weise Zeit. Bei dem Wagen handelte sich um einen so genannten »Slickback«, einen schwarz-weißen Streifenwagen, aber ohne Lichter auf dem Dach. Im Zuge einer Maßnahme, mit der die Polizeiführung den Anschein erwecken wollte, auf den Straßen der Stadt seien mehr Polizisten unterwegs, als dies tatsächlich der Fall war, mussten neuerdings alle Detectives solche Autos benutzen.
McCaleb stieß mit seiner Flasche gegen die von Bosch.
»Auf Cielo Azul.«
»Ja«, sagte Bosch.
Er trank aus der Flasche. Das Bier war eiskalt und gut. Sein erstes Bier seit Prozessbeginn. Er beschloss, es bei einer Flasche zu belassen, selbst wenn McCaleb eine zweite wollte.
»Ist das Ihre Ex-Frau?« McCaleb deutete auf das Foto im Regal.
»Meine Frau. Nicht meine Ex. Zumindest noch nicht, soviel ich weiß. Aber darauf wird es wohl hinauslaufen.«
Bosch betrachtete das Foto von Eleanor Wish. Es war das einzige Bild, das er von ihr hatte.
»Schade.«
»Tja. Was gibt’s, Terry? Da ist Verschiedenes, was ich für den Prozess noch –«
»Ich weiß, der Fall Storey. Tut mir
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