Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
gekommen sein könne, aber der Richter ließ die Frage zu.
»Ich kann mir nur zwei Möglichkeiten denken«, antwortete Bosch. »Sie wurden an dieser Stelle hinterlassen, als das Bett einmal nicht direkt an der Wand stand. Oder der Mann, von dem die Fingerabdrücke stammen, streckte seine Finger durch die Zwischenräume der Querleisten des Kopfteils und hinterließ die Abdrücke, als er sich an dieser Querleiste festhielt.«
Langwiser holte ein Foto hervor, das von der Spurensicherung als Beweismittel aufgenommen worden war. Es wurde den Geschworenen gezeigt.
»Um die Fingerabdrücke, wie eben beschrieben, zu hinterlassen, hätte die betreffende Person im Bett liegen müssen.«
»So scheint es, ja.«
»Mit dem Gesicht nach unten?«
»Ja.«
Fowkkes stand auf, um Einspruch zu erheben, aber der Richter gab ihm statt, bevor der Anwalt ein Wort sagen konnte.
»Sie kommen mit Ihren Spekulationen zu weit vom Thema ab, Ms. Langwiser. Fahren Sie fort.«
»Ja, Euer Ehren.«
Sie zog kurz ihren Block zu Rate.
»Diese Fingerabdrücke auf dem Bett des Opfers – hatten sie nicht zur Folge, dass Sie die Person, die sie hinterlassen hatte, als Hauptverdächtigen betrachteten?«
»Nicht zwangsläufig. Es lässt sich unmöglich feststellen, wie lang sich ein Fingerabdruck schon an einer bestimmten Stelle befindet. Dazu kam, dass wir wussten, das Opfer war nicht in seinem Bett umgebracht worden, sondern vielmehr erst auf sein Bett gelegt worden, nachdem es woanders umgebracht worden war. Nach unserem Dafürhalten befand sich der Fingerabdruck nicht an einer Stelle, von der zu erwarten stand, dass der Mörder sie angefasst hatte, als er die Leiche auf das Bett legte.«
»Von wem stammten diese Fingerabdrücke?«
»Von einem Mann namens Allan Wiess, der bei drei früheren Gelegenheiten eine Verabredung mit Ms. Krementz gehabt hatte, wobei die letzte Verabredung drei Wochen vor ihrem Tod stattgefunden hatte.«
»Haben Sie Allan Wiess vernommen?«
»Ja, das habe ich. Zusammen mit Detective Edgar.«
»Gab er zu, im Bett des Opfers gewesen zu sein?«
»Ja. Er sagte, er hätte bei der letzten Begegnung mit ihr, drei Wochen vor ihrem Tod, mit ihr geschlafen.«
»Sagte er, dass er das Kopfteil des Betts an der Stelle berührt hatte, an der sich die Fingerabdrücke befanden, die Sie uns gezeigt haben?«
»Er sagte zwar, er könnte es dort angefasst haben, aber er konnte sich nicht erinnern, es getan zu haben.«
»Haben Sie Nachforschungen über Allan Wiess’ Aktivitäten in der Nacht von Jody Krementz’ Tod angestellt?«
»Ja, das haben wir. Sein Alibi war hieb- und stichfest.«
»Und welcher Art war dieses Alibi?«
»Er sagte uns, er habe in Hawaii an einem Seminar für Immobilienmakler teilgenommen. Wir prüften die Unterlagen der Fluggesellschaft und des Hotels und erkundigten uns bei den Veranstaltern des Seminars. Diese Nachforschungen haben zweifelsfrei ergeben, dass er sich zum fraglichen Zeitpunkt dort aufgehalten hat.«
Langwiser sah Judge Houghton an und sagte, das sei ein guter Zeitpunkt, um die Verhandlung für die Vormittagspause zu unterbrechen. Der Richter meinte zwar, es sei noch etwas früh, gab jedoch dem Antrag statt und forderte die Geschworenen auf, in fünfzehn Minuten wieder zurückzukommen.
Bosch wusste, dass Langwiser die Pause genau jetzt haben wollte, weil als Nächstes diejenigen Fragen zu David Storeys Person an der Reihe waren, die sie deutlich von allen anderen Zeugenaussagen abgegrenzt haben wollte. Als er den Zeugenstand verließ und zum Tisch der Anklage ging, blätterte Langwiser in verschiedenen Ordnern. Sie sprach mit ihm, ohne aufzublicken.
»Was ist los, Harry?«
»Was soll mit mir los sein?«
»Sie sind nicht richtig bei der Sache. Nicht wie gestern. Sind Sie wegen irgendetwas nervös?«
»Nein. Sie denn?«
»Ja, wegen der ganzen Sache hier. Davon hängt verdammt viel ab.«
»Ich werde mich zusammenreißen.«
»Wirklich, Harry, ich meine das ernst.«
»Ich auch, Janis.«
Damit entfernte er sich vom Tisch der Anklage und verließ den Gerichtssaal.
Er beschloss, sich in der Cafeteria im ersten Stock eine Tasse Kaffee zu holen. Aber zuerst ging er in die Toilette neben den Liften und spritzte sich an einem Waschbecken kaltes Wasser ins Gesicht. Um kein Wasser auf seinen Anzug zu bekommen, beugte er sich tief über das Waschbecken. Er hörte das Rauschen einer Klospülung, und als er sich aufrichtete und in den Spiegel blickte, sah er, wie Rudy Tafero an ihm vorbei zu dem
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