Harry Bosch 15 - Neun Drachen
Wie sieht’s aus, Mad? Wir wollten doch heute noch einkaufen gehen.«
»Klar, gern.«
Bosch sah Bambrough an und nickte.
»Schon mal vielen Dank, und ich melde mich dann bei Ihnen.«
Auch seine Tochter fiel in den Dank mit ein, und sie verließen die Schule. Sobald sie im Auto saßen, fuhr Bosch den Hügel hinauf nach Hause.
»So, Maddie. Jetzt, wo wir allein sind: Wie fandest du es wirklich?«
»Ähm, eigentlich ganz okay. Es ist nur nicht dasselbe, weißt du?«
»Klar, verstehe ich. Wir können uns auch ein paar Privatschulen ansehen. Einige sind auch gar nicht weit von hier, auf der Valley-Seite.«
»Ich will aber kein Valley-Girl werden, Dad.«
»Wirst du bestimmt auch nicht. Außerdem hängt das nicht davon ab, wo du zur Schule gehst.«
»Ich glaube, diese Schule wäre ganz okay«, sagte sie nach einigem Nachdenken. »Ich habe schon ein paar Mädchen kennengelernt, die ganz nett waren.«
»Willst du es dir nicht noch überlegen?«
»Eigentlich nicht. Kann ich morgen schon anfangen?«
Bosch schaute kurz zu ihr hinüber und dann wieder auf die kurvenreiche Straße.
»Ist das nicht ein bisschen schnell? Du bist erst gestern Nacht hier angekommen.«
»Na und? Was soll ich denn sonst tun? In diesem Haus da oben rumhocken und den ganzen Tag flennen?«
»Nein, aber ich dachte, wenn wir die Sache in aller Ruhe angehen, könnte es …«
»Ich will nichts versäumen. Die Schule hat erst letzte Woche angefangen.«
Bosch musste daran denken, was Bambrough gesagt hatte: dass Kinder selbst am besten wussten, was sie brauchten, um sich zu regenerieren. Er beschloss, sich auf den Instinkt seiner Tochter zu verlassen.
»Okay, wenn du es dir schon zutraust. Dann rufe ich gleich Mrs. Bambrough an und sage ihr, dass du dich anmelden möchtest. Ach, übrigens, du bist doch in Las Vegas geboren, oder?«
»Weißt du das etwa nicht?«
»Doch, doch, natürlich weiß ich das. Ich wollte mich nur noch mal vergewissern, weil ich eine Kopie deiner Geburtsurkunde beantragen muss. Für die Schule.«
Sie antwortete nicht. Bosch fuhr in den Carport neben dem Haus.
»In Las Vegas also?«
»Ja! Du hast es echt nicht gewusst, wie? Krass!«
Bevor er sich eine Antwort überlegen konnte, wurde Bosch von seinem Handy gerettet. Es summte, und er zog es heraus. Ohne auf das Display zu schauen, sagte er seiner Tochter, er müsse drangehen.
Es war Ignacio Ferras.
»Harry, wie ich höre, bist du zurück, und mit deiner Tochter ist alles okay.«
Das hatte er eindeutig etwas spät mitbekommen. Bosch öffnete die Tür und hielt sie seiner Tochter auf.
»Ja, es geht uns beiden gut.«
»Nimmst du ein paar Tage frei?«
»Das hatte ich jedenfalls vor. Woran arbeitest du gerade?«
»Ach, nichts Besonderes. Nur ein paar Abschlussberichte zum Fall Li.«
»Wozu? Das hat sich doch inzwischen erledigt. Wir haben Scheiße gebaut.«
»Ich weiß, aber die Akte muss trotzdem vollständig sein, und ich muss die Durchsuchungsbeschlüsse bei Gericht abmelden. Deshalb rufe ich eigentlich auch an. Du bist am Freitag einfach verschwunden, ohne mir was zu hinterlassen, was du bei der Durchsuchung des Handys und des Koffers gefunden hast. Den Bericht über die Autodurchsuchung habe ich schon fertig.«
»Tja, leider habe ich nichts gefunden. Das ist ja auch mit ein Grund, warum wir nicht Anklage gegen ihn erheben konnten, wie du dich vielleicht erinnerst.«
Bosch warf die Schlüssel auf den Esstisch und beobachtete, wie seine Tochter den Flur hinunter in ihr Zimmer ging. Sein Ärger über Ferras wuchs. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, in der er sich gut hatte vorstellen können, den jungen Detective unter seine Fittiche zu nehmen und zu einem richtig guten Ermittler heranzuziehen. Aber inzwischen hatte er sich damit abgefunden, dass sich Ferras nie mehr davon erholen würde, dass er im Dienst verwundet worden war. Körperlich ja. Mental nein. Er würde die Kurve nicht mehr kriegen. Er würde ein Bürohengst werden.
»Soll ich also null Ergebnisse eintragen?«, fragte Ferras.
Bosch musste kurz an die Visitenkarte des Hongkonger Taxiunternehmens denken. Sie hatte sie nicht weitergebracht und war es nicht wert, in den Abschlussbericht für den Richter aufgenommen zu werden.
»Ja, null Ergebnisse. Es ist nichts dabei herausgekommen.«
»Und auf dem Handy war auch nichts?«
Plötzlich fiel Bosch etwas ein. Im selben Augenblick wurde ihm allerdings auch klar, dass es dafür jetzt wahrscheinlich zu spät war.
»
Auf
dem Handy selbst nichts,
Weitere Kostenlose Bücher