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Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Titel: Harry Bosch 15 - Neun Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Tochter künftig bei ihm leben werde und sich die Schule ansehen wolle.
    »Dieses Wochenende«, antwortete er. »Wir sind gestern Abend aus Hongkong zurückgekommen.«
    Bambrough sah ihn entgeistert an.
    »Am Wochenende? Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«
    »Ganz und gar nicht. Sie hat wirklich einiges durchgemacht. Ich weiß, es könnte noch zu früh sein, sie schon in die Schule zu schicken, aber ich hatte heute Morgen einen … Termin, den ich nicht absagen konnte. Ich nehme sie jetzt wieder mit nach Hause, und falls sie in ein paar Tagen wieder in die Schule kommen will, sage ich Ihnen Bescheid.«
    »Und was ist mit einer Therapie? Und einer ärztlichen Untersuchung?«
    »Darum kümmere ich mich gerade.«
    »Sehen Sie unbedingt zu, dass sie Hilfe bekommt. Kinder sprechen gern über belastende Dinge. Die Sache ist nur, dass sie es nicht unbedingt mit ihren Eltern tun wollen. Ich habe festgestellt, dass Kinder von Natur aus ein äußerst feines Gespür dafür haben, was sie brauchen, um sich nach so einem Erlebnis selbst zu heilen und wieder ins normale Leben zurückzufinden. Nachdem sie ihre Mutter verloren hat und die Rolle des alleinerziehenden Vaters noch etwas neu für Sie sein dürfte, braucht Madeline vermutlich einen Außenstehenden, mit dem sie über alles reden kann.«
    Bosch nickte, als der Vortrag zu Ende war.
    »Sie wird alles bekommen, was sie braucht. Was müsste ich tun, wenn sie hier zur Schule gehen möchte?«
    »Rufen Sie mich einfach an. Sie wohnen hier im Viertel, und wir haben genügend freie Plätze. Die Anmeldung ist nicht mit großem Aufwand verbunden. Wir brauchen nur ihren Schülerbogen aus Hongkong und die Geburtsurkunde, und damit hat es sich im Grunde genommen schon.«
    Bosch wurde bewusst, dass die Geburtsurkunde seiner Tochter wahrscheinlich in der Wohnung in Hongkong war.
    »Ich habe ihre Geburtsurkunde nicht. Ich muss erst eine beantragen. Ich glaube, sie wurde in Las Vegas geboren.«
    »Sie glauben?«
    »Ich, äh, habe erst von ihrer Existenz erfahren, als sie vier war. Damals hat sie mit ihrer Mutter in Las Vegas gelebt, und deshalb nehme ich an, dass sie auch dort geboren wurde. Ich kann sie ja fragen.«
    Bambrough sah ihn noch verdutzter an.
    »Ich habe ihren Pass«, erklärte Bosch. »Darin steht, wo sie geboren wurde. Ich habe nur noch nicht nachgesehen.«
    »Na ja, auch das würde uns vorläufig genügen, bis Sie die Geburtsurkunde haben. Ich glaube, im Moment ist das Wichtigste, dass Ihre Tochter psychologische Betreuung erhält. Das ist ein fürchterliches Trauma für sie. Sie müssen sie dazu bringen, mit einem Therapeuten zu sprechen.«
    »Keine Sorge, das werde ich.«
    Ein Läuten kündigte das Ende der Unterrichtsstunde an, und Bambrough stand auf. Sie verließen das Büro und gingen einen Gang hinunter. Weil das Schulgelände an einem Hang lag, war es lang und schmal. Bosch entging nicht, dass Bambrough immer noch zu verdauen versuchte, was Madeline vor kurzem durchgemacht und zu verarbeiten hatte.
    »Sie ist ganz schön tough«, sagte er schließlich.
    »Das muss sie nach so einem Erlebnis auch sein.«
    Bosch wollte das Thema wechseln.
    »Welche Fächer hat sie sich ausgesucht?«
    »Angefangen hat sie mit Mathe und dann, nach einer kurzen Pause, Sozialkunde. Danach war Mittagspause, und jetzt kommt sie gerade aus dem Spanisch-Unterricht.«
    »In Hongkong hat sie Chinesisch gelernt.«
    »Das ist sicher nur eine der vielen schwierigen Umstellungen, die auf sie zukommen werden.«
    »Wie gesagt, sie ist ziemlich tough. Ich glaube, sie packt das.«
    Bambrough wandte sich ihm im Gehen lächelnd zu.
    »Wie Ihr Vater, hm?«
    »Ihre Mutter war tougher.«
    Der Gang füllte sich mit Kindern, die die Klassenzimmer wechselten. Bambrough entdeckte Boschs Tochter als Erste und rief: »Madeline.«
    Bosch winkte. Maddie unterhielt sich mit zwei Mädchen und schien bereits Kontakte zu knüpfen. Sie verabschiedete sich von den beiden Mitschülerinnen und kam auf Bosch zugerannt.
    »Hi, Dad.«
    »Na, wie hat es dir gefallen?«
    »Ganz okay.«
    Ihr Tonfall war zurückhaltend, und Bosch wusste nicht, ob es daran lag, dass die stellvertretende Schulleiterin dabei war.
    »Wie ging’s dir in Spanisch?«, fragte Bambrough.
    »Na ja, nicht so besonders.«
    »Ich habe gehört, du hast Chinesisch gelernt. Das ist wesentlich schwieriger als Spanisch. Da kommst du bestimmt auch in Spanisch schon bald problemlos mit.«
    »Hoffentlich.«
    Bosch beschloss, ihr den Smalltalk zu ersparen.
    »Und?

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