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Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Titel: Harry Bosch 15 - Neun Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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nein, aber habt ihr bei der Telefongesellschaft wegen der Gesprächsaufzeichnungen nachgefragt?«
    Chang mochte vielleicht alle registrierten Anrufe von seinem Handy gelöscht haben, aber auf die Aufzeichnungen seines Mobilfunkanbieters hätte er keinen Zugriff gehabt. Ferras antwortete erst nach einer kurzen Pause.
    »Nein, ich dachte … du hattest doch das Handy, Harry. Ich dachte, du hättest bei der Telefongesellschaft angerufen.«
    »Habe ich nicht, weil ich auf dem Weg nach Hongkong war.«
    Beim Einreichen und Umsetzen gerichtlicher Durchsuchungsbeschlüsse war das Vorgehen bei allen Telefongesellschaften das Gleiche. In der Regel wurde der unterzeichnete Durchsuchungsbeschluss automatisch an die Rechtsabteilung des betreffenden Mobilfunkanbieters gefaxt. Eigentlich ein simpler Schritt, der jedoch in diesem Fall versäumt worden war. Inzwischen war Chang allerdings auf freiem Fuß und wahrscheinlich längst über alle Berge.
    »Verdammte Scheiße«, fluchte Bosch. »Darum hättest du dich kümmern sollen, Ignacio.«
    »Ich? Du hattest das Handy, Harry. Ich dachte, du würdest das machen.«
    »Ich hatte das Handy, aber du hattest die ganzen Durchsuchungsbeschlüsse. Das hättest du erledigen müssen, bevor du am Freitag Schluss gemacht hast.«
    »Was soll dieser Scheiß schon wieder, Mann? Willst du das jetzt etwa mir vorwerfen?«
    »Ich werfe es uns beiden vor. Klar, ich hätte es auch tun können, aber du hättest dich
vergewissern
müssen, dass es gemacht wurde. Und getan hast du es deshalb nicht, weil du wieder mal früh Schluss machen wolltest und die Sache hast schleifen lassen – wie du auch den Job insgesamt schleifen lässt, Partner.«
    Jetzt war es raus.
    »Und du redest einen Haufen Scheiße, Partner. Du meinst, ich lasse alles schleifen, bloß weil ich nicht bin wie du, weil ich meine Familie nicht für den Job aufgebe, weil ich meine Familie nicht für den Job
aufs Spiel setze.
Überleg doch erst mal, was du da sagst.«
    Diese verbale Breitseite verschlug Bosch die Sprache. Ferras hatte ihn genau an der Stelle getroffen, an der er die letzten zweiundsiebzig Stunden so verwundbar gewesen war. Schließlich schüttelte er es ab und fing sich wieder.
    »Ignacio«, sagte er ruhig. »So hat das keinen Sinn. Ich weiß nicht, wann ich diese Woche wieder zum Dienst komme, aber wenn ich wieder da bin, müssen wir reden.«
    »Meinetwegen. Ich bin hier.«
    »Natürlich bist du das. Du bist immer im Bereitschaftsraum. Wir sehen uns dort.«
    Bosch drückte die Trenntaste, bevor Ferras etwas auf seine letzte Spitze erwidern konnte. Bosch war sicher, Gandle würde ihn unterstützen, wenn er um einen neuen Partner bat. Er ging in die Küche zurück, um sich ein Bier zu holen und den bitteren Nachgeschmack des Wortwechsels loszuwerden. Er öffnete den Kühlschrank und wollte gerade hineinfassen, aber dann hielt er inne. Es war zu früh, und er wollte mit seiner Tochter noch zum Shoppen ins Valley fahren.
    Er machte den Kühlschrank wieder zu und ging den Flur hinunter. Die Tür zum Zimmer seiner Tochter war geschlossen.
    »Maddie, können wir langsam los?«
    »Bin gleich so weit. Zieh mich nur noch um.«
    Sie hatte in kurz angebundenem Lass-mich-in-Ruhe-Ton geantwortet. Bosch wusste nicht recht, was er davon halten sollte. Er hatte vor, zuerst mit ihr zum Handy-Shop zu fahren und dann nach Kleidung, Möbeln und einem Laptop zu sehen. Er würde seiner Tochter alles kaufen, was sie wollte, und sie wusste das. Trotzdem war sie pampig, und er verstand nicht, warum. Das war erst der erste Tag in seiner neuen Rolle als Vollzeitvater, und schon kam er sich restlos überfordert vor.

41
    A m nächsten Morgen machten sich Bosch und seine Tochter daran, einige der Dinge zusammenzubauen, die sie am Tag zuvor erstanden hatten. Maddie ging noch nicht zur Schule, weil ihre Anmeldung erst einmal die Mühlen der Schulbürokratie durchlaufen musste – ein Aufschub, über den Bosch froh war, weil er ihm zu mehr Zeit mit ihr verhalf.
    Als Erstes nahmen sie sich den Computertisch und den Schreibtischstuhl vor, die sie in Burbank bei IKEA gekauft hatten. Auf ihrer vierstündigen Einkaufstour waren so viele Schulsachen, Kleider, elektronische Geräte und Möbel zusammengekommen, dass Boschs Auto voll gewesen war und Schuldgefühle in ihm hochgekommen waren, die er bis dahin nicht gekannt hatte. Er wusste, wenn er seiner Tochter alles kaufte, worauf sie deutete oder worum sie ihn bat, versuchte er nur, ihr Glück zu erhandeln –

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