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Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Titel: Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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hat, dass sie mich in einem besseren Hotel unterbringt, und ich hatte damals kein Geld für ein Zimmer. Deshalb habe ich gesagt, was sie gesagt hat, dass ich sagen soll.«
    Bosch ballte die Hand zur Faust und hieb damit einmal auf seinen Oberschenkel. Für die Verteidigung war das der Super- GAU . Er schaute zu Jessup hinüber, um zu sehen, ob er merkte, wie schlecht es plötzlich um ihn stand. Das schien Jessup zu spüren. Er drehte sich um, und als sich sein Blick mit dem von Bosch traf, verdunkelte die Wut langsamen Begreifens seine Augen. Bosch beugte sich vor und hob langsam den Zeigefinger. Und zog ihn quer über seine Kehle.
    Jessup wandte sich ab.

39
    Donnerstag, 8. April, 11:30 Uhr
    I ch habe im Gericht viele gute Momente erlebt. Ich habe in den Momenten neben Männern gestanden, als ihnen klarwurde, dass sie aufgrund meiner guten Arbeit freikämen. Ich habe vor Geschworenen gestanden und das Prickeln von Wahrheit und Rechtschaffenheit meinen Rücken hinunterlaufen gespürt. Und ich habe Lügner im Zeugenstand erbarmungslos auseinandergenommen. Das sind die Momente, für die ich lebe. Aber nur wenige von ihnen reichten an den Moment heran, in dem ich sah, wie das Kartenhaus von Jason Jessups Verteidigung wegen Edward Romans Zeugenaussage in sich zusammenfiel.
    Nach Royce’ grandioser Bauchlandung drückte mir meine Ex-Frau und Mitanklägerin den Arm so fest, dass es weh tat. Sie konnte einfach nicht anders. Auch ihr war jetzt klar, dass sich Royce von diesem Schlag nicht mehr erholen würde. Gerade war ein ganz wesentlicher Bestandteil seiner ohnehin recht fragwürdigen Verteidigungsstrategie vor seinen Augen in sich zusammengefallen. Das lag weniger daran, dass sein Zeuge gerade einen Rückzieher gemacht hatte, als daran, dass die Geschworenen gemerkt hatten, dass sich die Verteidigung Jessups offensichtlich auf einen Lügner stützte. Das würden die Geschworenen Royce nicht verzeihen. Es war aus, und ich glaubte, jeder im Saal – von der Richterin bis zu den Zuschauern auf den hintersten Bänken – wusste das. Jessup konnte einpacken.
    Ich drehte mich um und schaute zu Bosch, um den Augenblick mit ihm zu genießen. Immerhin war der Schachzug mit der stummen Zeugin seine Idee gewesen. Und ich ertappte ihn dabei, wie er zu Jessup schaute und mit dem Finger quer über seine Kehle strich – das universell verständliche Zeichen dafür, dass Jessup geliefert war.
    Ich blickte wieder zur Richterbank.
    »Mr. Royce«, sagte Richterin Breitman. »Möchten Sie mit der Vernehmung des Zeugen fortfahren?«
    »Einen Augenblick bitte, Euer Ehren«, sagte Royce.
    Die Frage der Richterin war durchaus berechtigt. Unter diesen Voraussetzungen hatte Royce wenig Möglichkeiten, mit Roman weiterzumachen. Er konnte versuchen, Schadensbegrenzung zu betreiben, und die Befragung einfach beenden. Oder er konnte die Richterin ersuchen, Roman zum feindlichen Zeugen zu erklären – eine Maßnahme, die für einen Anwalt immer peinlich war, wenn der feindliche Zeuge jemand war, den er selbst in den Zeugenstand gerufen hatte. Aber es war eine Maßnahme, die Royce größeren Handlungsspielraum verschaffte, weil er dann Roman fragen konnte, was er der Ermittlerin der Verteidigung ursprünglich erzählt hatte und warum er auf einmal von seinen früheren Aussagen abrückte. Dieser Schritt war jedoch insofern hochriskant, als dieses erste Gespräch, um Roman während der Offenlegungsphase vor der Anklage verstecken zu können, weder aufgezeichnet noch schriftlich festgehalten worden war.
    »Mr. Royce!«, fauchte die Richterin. »Bitte vergeuden Sie hier nicht die kostbare Zeit des Gerichts. Stellen Sie Ihre nächste Frage, oder ich übergebe den Zeugen Mr. Haller zum Kreuzverhör.«
    Royce nickte sich selbst zu, als träfe er eine Entscheidung.
    »Entschuldigen Sie bitte, Euer Ehren. Aber ich habe keine weiteren Fragen.«
    Niedergeschlagen kehrte Royce an den Tisch der Verteidigung und zu seinem Mandanten zurück, der sichtlich bestürzt über die unerwartete Wende war. Noch bevor die Richterin den Zeugen an mich übergab, stand ich auf und ging zum Pult.
    »Mr. Roman«, begann ich, »Ihre Aussage hat mich ein wenig in Verwirrung gestürzt. Lassen Sie mich also erst etwas klarstellen. Wollen Sie den Geschworenen nun sagen, dass Ihnen Sarah Ann Gleason erzählt hat, dass ihr Stiefvater ihre Schwester ermordet hat oder dass sie das nicht erzählt hat?«
    »Dass sie es mir nicht erzählt hat. Das andere wollten sie nur, dass ich

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