Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen
sage.«
»Wer sind ›sie‹, Sir?«
»Die Verteidigung. Diese Ermittlerin und Royce.«
»Sollten Sie außer einem Hotelzimmer noch mehr erhalten, wenn Sie heute etwas Derartiges bezeugen würden?«
»Sie haben bloß gesagt, dass sie sich um mich kümmern würden. Dass es hier um eine Menge Geld …«
»Einspruch!«, brüllte Royce.
Er sprang auf.
»Euer Ehren, der Zeuge steht eindeutig auf der Seite der Anklage und will sich nur rächen.«
»Er ist Ihr Zeuge, Mr. Royce. Er darf die Frage beantworten. Fahren Sie fort, Sir.«
»Sie haben gesagt, dass es hier um eine Menge Geld geht und dass sie sich um mich kümmern werden«, sagte Roman.
Für mich wurde es immer besser und für Jessup immer schlechter. Aber ich musste aufpassen, dass ich auf die Geschworenen nicht schadenfroh oder rachsüchtig wirkte. Ich konzentrierte mich wieder auf das Wesentliche.
»Was genau hat Ihnen Sarah damals über diese Vorkommnisse aus ihrer Kindheit erzählt, Mr. Roman?«
»Wie gesagt, dass sie im Garten war und sich versteckt hat und dass sie dann diesen Mann gesehen hat, der ihre Schwester mitgenommen hat.«
»Hat sie Ihnen jemals erzählt, sie hätte den falschen Mann identifiziert?«
»Nein.«
»Hat sie Ihnen jemals erzählt, dass ihr die Polizei gesagt hat, wen sie identifizieren sollte?«
»Nein.«
»Hat sie Ihnen jemals erzählt, dass der falsche Mann des Mordes an ihrer Schwester angeklagt worden war?«
»Nein.«
»Keine weiteren Fragen.«
Ich sah auf die Uhr, als ich an meinen Platz zurückkehrte. Bis zur Mittagspause waren es noch zwanzig Minuten. Statt die Verhandlung etwas früher zu beenden, forderte die Richterin Royce auf, seinen nächsten Zeugen aufzurufen. Er rief seine Ermittlerin, Karen Revelle, in den Zeugenstand. Ich wusste, was er vorhatte, und ich war darauf vorbereitet.
Revelle war eine männlich aussehende Frau in einer Hose und einem Sportsakko. In ihr verdrossenes Gesicht stand in dicken Buchstaben Ex-Cop geschrieben. Nach ihrer Vereidigung kam Royce sofort zur Sache. Wahrscheinlich hoffte er, den Blutfluss seiner lädierten Falldarstellung stoppen zu können, bevor die Geschworenen in die Mittagspause gingen.
»Was machen Sie beruflich, Ms. Revelle?«
»Ich arbeite für die Anwaltskanzlei Royce und Partner als Ermittlerin.«
»Sie arbeiten also für mich, richtig?«
»Das ist richtig.«
»Haben Sie am 2. März dieses Jahres ein Telefongespräch mit einem gewissen Edward Roman geführt?«
»Ja.«
»Was hat er Ihnen bei diesem Telefonat erzählt?«
Ich stand auf und legte Einspruch ein. Außerdem bat ich die Richterin, nach vorn kommen zu dürfen, um mit der Verteidigung an der Richterbank über meinen Einspruch sprechen zu können.
»Dann kommen Sie«, sagte Richterin Breitman.
Maggie und ich folgten Royce nach vorn. Die Richterin forderte mich auf, meinen Einspruch vorzubringen.
»Mein erster Einspruch bezieht sich auf den Umstand, dass alles, was diese Zeugin über den Inhalt ihres Gesprächs mit Roman aussagen wird, auf Hörensagen beruht und deshalb nicht zulässig ist. Mein zweiter und wichtigerer Einspruch bezieht sich allerdings darauf, dass Mr. Royce die Glaubwürdigkeit seines eigenen Zeugen in Frage zu stellen versucht. Er wird mit Revelles Hilfe Romans Glaubwürdigkeit den Boden entziehen, und das geht nicht, Euer Ehren. Das grenzt an Anstiftung zum Meineid, denn einer dieser beiden Zeugen lügt unter Eid, und Mr. Royce hat sie beide aufgerufen!«
»Ich verwehre mich nachdrücklich gegen Mr. Hallers letzte Unterstellung.« Royce beugte sich über die Richterbank. »Anstiftung zum Meineid? Ich praktiziere lange genug als Anwalt, um …«
»Zuallererst, wahren Sie gefälligst Abstand, Mr. Royce, Sie kommen mir eindeutig zu nah«, wies ihn Breitman zurecht. »Und zweitens, sparen Sie sich Ihren eigennützigen Einspruch für eine andere Gelegenheit auf. Mr. Haller hat in allen Punkten recht. Wenn ich dieser Zeugin gestatte, mit ihrer Aussage fortzufahren, befassen wir uns nicht nur mit Hörensagen, sondern schaffen vor allem auch eine Situation, in der einer Ihrer Zeugen unter Eid gelogen hat. Sie können nicht beides haben, und Sie können keinen Lügner in den Zeugenstand rufen. Deshalb werden wir Folgendes tun: Sie holen Ihre Ermittlerin aus dem Zeugenstand, Mr. Haller wird einen Antrag stellen, die wenigen Aussagen, die sie bisher gemacht hat, aus dem Protokoll zu streichen, und ich werde diesem Antrag stattgeben. Danach gehen wir in die Mittagspause. Dann können
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