Harry Dresden 08 - Schuldig
Bolzens empor, bemühte mich, ruhig und gleichmäßig zu atmen und holte langsam mit dem Hammer aus, wobei ich mich einzig auf diese Bewegung und sonst nichts konzentrierte. Dann stieß ich zischend die Luft aus und schlug mit jedem Quäntchen Kraft, das ich irgendwie aus meinen Muskeln quetschen konnte, auf den Bolzen.
Ich war nicht gerade ein Gewichtheber, aber es hatte noch nie jemand behauptet, ich sei ein Waschlappen. Was aber noch wichtiger war: All die Jahre, in denen ich mich mit übernatürlichen Dingen beschäftigt und die feinen Nuancen der Magie gemeistert hatte, hatten mich mit einer eindrucksvollen Fertigkeit gesegnet, wenn es darum ging, mich zu konzentrieren und möglichst punktgenau zu arbeiten. Der Hammer donnerte auf den Bolzen, an den der zweite Ring von Rawlins ’ Handschellen gekettet war. Funken stoben. Der Bolzen, der genauso verrostet und im Eimer war wie der Rest des Gebäudes, zersplitterte.
Rawlins zog mich noch gerade rechtzeitig zu Boden, ehe Cranes Kanone auf der anderen Seite der Werkstatt erneut aufbellte. Eine Kugel prallte mit einem hässlichen, kreischenden Pfeifen von der Metallverstrebung ab.
„Kommen Sie“, flüsterte ich. Ich packte Rawlins am Hemd. Er stieß ein Grunzen aus und stolperte blindlings hinter mir her, wobei er sich jede erdenkliche Mühe gab, leise zu sein. Doch wenn man seine Verletzungen bedachte, waren dieser Mühe Grenzen gesetzt. Dann mussten wir uns eben auf Schnelligkeit verlassen, wenn wir uns schon nicht heimlich voran schleichen konnten. Mit Rawlins im Schlepptau wieselte ich auf die andere Seite der Werkstatt hinüber, wobei ich keinen Gedanken an die Türen verschwendete. Wir schlichen um die Grube, die einst die Mechaniker benutzt hatten, um Autos von unten unter die Lupe zu nehmen, und einige Reifenstapel herum.
„Wohin gehen wir?“, keuchte Rawlins. „Wo geht es zur Tür?“
„Wir wollen nicht zur Tür“, erwiderte ich wahrheitsgemäß. Ich war alles andere als sicher, ob uns ein Ausweg aus der Werkstatt zur Verfügung stand, doch die Tür schied auf jeden Fall aus.
Die Vollmond-Werkstatt stand leer, seit ihre vorherigen Besitzer, ein Rudel Lykanthropen, das in der Wahl seiner Feinde alles andere als gesunden Menschenverstand an den Tag gelegt hatte, verschwunden waren. Dass Crane jetzt dieses Gebäude in Beschlag genommen hatte, war bei weitem kein so großer Zufall, wie es wahrscheinlich den Anschein erweckte. Der Schuppen war alt, verlassen, hatte keine Fenster, lag in der Nähe der Convention, und man gelangte bequem herein und wieder heraus. Auch durfte man nicht vergessen, dass dies ein Ort war, an dem ziemlich grausige Dinge vonstatten gegangen waren. Die bösartigen Energien lagen noch immer in der Luft. Ich war nicht ganz sicher, was Crane und Glau unter ihrer Verkleidung waren, doch dieser Ort wirkte für Kreaturen der Dunkelheit sicherlich besonders bequem und anheimelnd.
Man hatte mich schon einmal in diesem Gebäude gefangen gehalten, und mein Fluchtweg von damals war noch da – ein Loch unter dem unteren Rand einer verrosteten Metallwand, das ein Rudel Werwölfe in die Erde gebuddelt hatte und das hinaus auf einen Schotterparkplatz führte. Ich erreichte die Wand und überprüfte, ob Lasciels mentales Modell mit der Wirklichkeit übereinstimmte, die es schließlich darstellte, und tatsächlich, das Loch war noch da.
Ich nahm Rawlins ’ Hände und drückte sie zu Boden, so dass er den Rand des Loches spüren konnte. „Gehen Sie“, flüsterte ich ihm zu. „Unter der Wand durch und raus!“
Er grunzte bejahend und begann, sich durch das Loch zu zwängen. Rawlins war um einiges kräftiger gebaut als ich, doch passte er anstandslos durch das Loch, das mit den Jahren noch tiefer und bteiter geworden war. Ich hockte mich hin, um ihm zu folgen, doch dann vernahm ich das Trappeln rennender Füße hinter mir.
Ich duckte mich auf eine Seite weg, und langsam hatten sich meine Augen so sehr an die Dunkelheit gewöhnt, dass ich erkennen konnte, wie etwas Licht der nächtlichen Stadt durch das Loch sickerte. Ich konnte in der Dunkelheit einen vagen Schemen ausmachen, und dann sah ich, wie Glaus Hand Rawlins verletzten Fuß umklammerte. Rawlins brüllte auf.
Ich schnellte vor und ließ den Zimmermannshammer auf Glaus Unterarm hinabsausen. Er traf mit brutaler Wucht auf, und ich hörte, wie Knochen splitterten.
Glau stieß ein wildes, unnatürlich hohes Heulen aus, das als Kriegsschrei besser zu einem primitiven Krieger gepasst
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