Harry Dresden 08 - Schuldig
einem selbst durch die geschlossenen Augenlider sickert. Nur noch einen Augenblick. Ich durfte nicht den geringsten Laut von mir geben und musste mich nur noch einige Sekunden konzentrieren.
Also ertrug ich den Schmerz. Ich erhielt den Druck aufrecht und spürte, wie das kalte Metall der Handfessel abrupt über meinen Daumenansatz glitt, eine der wenigen Stellen meiner Hand, wo ich noch über so etwas wie einen Tastsinn verfügte. Doch dann war meine Hand endlich frei, und ich umklammerte die leere Metallfessel, damit sie nicht klappernd zu Boden fiel.
Ich öffnete die Augen und sah mich in der Autowerkstatt um. Crane tigerte in ein Telefonat vertieft auf und ab. Ich wartete ab, bis er mir großteils den Rücken zugewandt hatte, bis ich es wagte, mich zu bewegen. Dann stand ich auf und fädelte die Kette durch den U-Haken auf dem Boden, bis die leere Handfessel dagegen drückte. Ich war immer noch äußerst eingeschränkt, da ich nun an einer Kette hing, die vielleicht dreißig Zentimeter lang war, doch ich bewegte mich so lautlos wie möglich, als ich meine pochende linke Hand nach dem schiebbaren Werkzeugschrank ausstreckte.
Ich hatte ziemliche Probleme, meine Finger zur Mitarbeit zu bewegen, doch schließlich schaffte ich es, den Schrank aufzubekommen. Die Werkzeuge darin waren schon seit geraumer Zeit dort vergammelt – zumindest ein paar Jahre, wie ich annahm. Sie waren über und über mit Rost bedeckt. Von der Stelle aus, an der ich mich hingekauert hatte, konnte ich nur etwa die Hälfte des Schrankinneren ausmachen, und mir stach auf Anhieb nichts ins Auge, was besonders hilfreich gewesen wäre. So sehr es mir auch widerstrebte, blieb mir doch nichts anderes übrig, als blind im restlichen Schrank herumzufingern. Ich hatte eine Heidenangst, dass ich vielleicht kein passendes Werkzeug zu greifen bekam, und allein bei dem Gedanken, dass ich etwas umstoßen und so die Aufmerksamkeit meiner Bewacher erregen würde, liefen mir kalte Schauer den Rücken hinab.
Meine Hand zitterte heftig, doch ich tastete mich so schnell und behutsam wie möglich von oben nach unten durch den Schrank. Auf dem Boden des Möbelstücks erfühlte ich einen Gegenstand, offensichtlich den Griff eines Werkzeugs. Ich zog es so leise heraus, wie ich konnte und stellte fest, dass ich eine Bügelsäge in Händen hielt. Mein Herz vollführte vor Aufregung einen Sprung.
Ich nahm meine ursprüngliche Position wieder ein, ohne dass meine Bewacher auch nur das Geringste bemerkt hatten, und umfasste den Griff der Säge. Mein ausgekugelter Daumen schmerzte wie die Seuche, also nahm ich die Bügelsäge in die rechte Hand, atmete tief ein und begann, das Kettenglied direkt unterhalb der leeren Handfessel durchzusägen. Ich konnte für die einzelnen Schnitte immer nur etwa fünfundzwanzig bis dreißig Zentimeter ausholen, da meine Rechte immer noch angekettet war, und ein leises, raspelndes Geräusch drang durch die Werkstatt, das man nie und nimmer für etwas anderes hätte halten können als eben eine Säge. Ich war sicher, dass ich niemals die Zeit haben würde, mich selbst zu befreien – doch der massive Stahl des Blattes der Bügelsäge fraß sich durch die Silberkette, als sei sie aus Fichtenholz. Drei, vier, fünf Züge mit der Säge später hatte ich das Kettenglied an einer Seite durchgesäbelt. Ich riss heftig an der verbliebenen Handfessel, die Kette surrte durch den Haken und das beschädigte Kettenglied zerbarst, als die andere Handfessel sich in dem U-Haken verfing.
Befreit stand ich auf.
Crane stieß einen abrupten, verblüfften Laut aus, ließ sein Handy fallen und griff nach seiner Kanone. Es war einfach keine Zeit, Rawlins ebenfalls zu befreien, also warf ich ihm die Bügelsäge zu und hechtete zur Seite, als Crane schoss. Funken stoben von der Oberfläche des mit Rollen versehen Werkzeugschrankes auf, und meine Schmerzen wurden von einer plötzlichen Adrenalinflut hinweggespült. Ich hielt den Kopf so gut es ging unten und eilte geduckt auf die andere Seite der Werkstatt, um das Ungetüm eines alten, rostzerfressenen Pick-ups zwischen mich und Crane zu bekommen. Ich tastete nach meiner Magie, aber die verbliebene Handfessel an meiner rechten Hand meldete sich mit Inbrunst zurück, und Schmerz schoss meinen Arm empor, was den Versuch, mich zu konzentrieren, schon im Ansatz vereitelte.
Aus dem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung wahr. Crane ging in weitem Bogen durch die Werkstatt, als er nach einer freien Schussbahn suchte, um
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