Harry Dresden 08 - Schuldig
dass der Wagen in einem lila Tutu einen Ausdruckstanz vor mir hätte vollführen können, ohne dass es mir aufgefallen wäre.
Einfach dazusitzen klang nach einer echt guten Idee, also saß ich einfach da. Nach einiger Zeit beschlich mich der vage Verdacht, ich sollte eventuell doch sicherstellen, dass niemandem etwas passiert war. Ich sah mich um. Kein Blut, was immer positiv ist. Ich blickte benommen rund um das Auto. Keine Hilfeschreie. Keine Leichen im Rückspiegel. Nichts brannte. Auf der Beifahrerseite war überall zerborstenes Sicherheitsglas, doch die Rückscheibe hatte ich schon vor einiger Zeit durch eine durchsichtige Plastikplane ersetzt.
Der Käfer, wackerer Streiter gegen die Mächte des Bösen und alternative Treibstoffe, tuckerte weiter vor sich hin, auch wenn sich in das Motorengeräusch im Gegensatz zu seinem üblichen griesgrämigen Pfeifen ein stöhnendes Pfeifen gemischt hatte. Ich versuchte, die Tür zu öffnen. Sie ging nicht auf. Ich kurbelte das Fenster herunter und hievte mich langsam aus dem Auto. Wenn ich die Energie aufbringen konnte, cool über die Motorhaube zu rutschen, ehe ich wieder einstieg, stand einer Bewerbung für „Ein Duke kommt selten allein“ nichts mehr im Wege.
„Hier in Duke-Land“, nuschelte ich in meinen nicht vorhandenen Bart, „mögen wir keine vorsätzlichen Unfälle mit Fahrerflucht!“
Es dauerte keine Ahnung wie viele Minuten, bis sich der erste Cop blicken ließ, ein Streifenpolizist namens Grayson, den ich kannte. Grayson war ein älterer Polizist, ein Hüne mit einer großen, roten Nase und einem gemütlichen Bierbauch, der aussah, als könnte er wütende Besoffene vermöbeln oder unter den Tisch saufen, je nachdem, wonach ihm gerade der Sinn stand. Er stieg aus seinem Wagen aus und begann, mir in einer leisen, besorgten Stimme Fragen zu stellen. Ich antwortete, so gut ich dazu in der Lage war, aber irgendein Kabel zwischen meinem Gehirn und meinem Mund war wohl durchgeschmort, und ich bemerkte, wie er mich genau musterte und dann das Innere des Käfers nach offenen Behältern absuchte, bevor er mich anwies, mich auf den Boden zu setzen, um den Verkehr um uns herum zu regeln. Ich setzte mich auf den Randstein, was mir ganz recht war. Ich sah zu, wie sich der Gehsteig fröhlich drehte, bis mich jemand an der Schulter berührte.
Karrin Murphy, die Leiterin der Sondereinheit der Polizei von Chicago, sah aus wie die typische süße Teenagerschwester aus dem Fernsehen. Sie war eine Haaresbreite größer als eins fünfzig, hatte hellblondes Haar, blaue Augen, ein Stupsnäschen und beinahe unsichtbare Sommersprossen. Sie bestand fast ganz aus drahtigen Muskeln; der Körperbau einer Leichtathletin, der jedoch nicht an weiblichen Kurven sparte. An diesem Tag trug sie ein weißes Baumwollhemd und Bluejeans sowie eine Baseballkappe der Cubs auf dem Kopf und eine verspiegelte Sonnenbrille im Gesicht.
„Harry?“, fragte sie. „Bist du in Ordnung?“
„Onkel Jesse wird furchtbar enttäuscht sein, dass Boss Hoggs Gauner General Lee so zerbeult haben“, schniefte ich und zeigte auf mein Auto.
Sie starrte mich einen Augenblick lang an und sagte dann: „Weißt du, dass du eine ganz schöne Beule auf der einen Seite deines Kopfes hast?“
„Nö“, sagte ich. Ich tastete mit einem Finger danach. „Habe ich?“
Murphy seufzte und schob sanft meinen Finger weg. „Jetzt mal im Ernst. Wenn du dermaßen durcheinander bist, dass du nicht mal mit mir reden kannst, muss ich dich in ein Krankenhaus bringen.“
„Tut mir leid“, seufzte ich. „War ein langer Tag. Ich habe mir ziemlich den Schädel angedonnert. In einer Minute bin ich wieder klar.“
Sie atmete aus, nickte und ließ sich neben mir auf dem Randstein nieder. „Macht es dir was aus, wenn ich einen der Rettungssanis bitte, sich dich mal anzusehen? Einfach nur, um auf Nummer sicher zu gehen?“
„Die wollen mich sicher ins Krankenhaus schleifen“, widersprach ich. „Zu gefährlich. Ich könnte dem Lebenserhaltungssystem eines armen Teufels einen Kurzschluss verpassen. Außerdem hat der Rote Hof die Kliniken unter Beobachtung, um unseren Verwundeten Hinterhalte zu legen. Ich könnte das Feuer auf andere Patienten ziehen.“
„Das weiß ich“, sagte sie ruhig. „Ich werde nicht zulassen, dass sie dich mitnehmen.“
„Oh. Na dann“, sagte ich. Ein Rettungssanitäter untersuchte mich. Er leuchtete mir in die Augen, wofür ich ihm leicht gegen das Schienbein trat. Er murmelte eine Minute lang
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