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Harry Dresden 08 - Schuldig

Harry Dresden 08 - Schuldig

Titel: Harry Dresden 08 - Schuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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dass du sie kühlst.“
    Ich nahm meine Flasche und musterte sein Gesicht, doch ich konnte nichts in seinen Zügen lesen. „Mac kann gerne vorbeischauen und eine Klimaanlage installieren, wenn er darauf besteht, dass ich mein Bier mitten im Sommer warm trinke.“
    Thomas lachte. Dann stießen wir an und tranken.
    „Du gehst also“, stellte ich fest.
    Er nahm einen weiteren Schluck und sagte nichts.
    „Du wolltest es mir nicht einmal sagen“, sagte ich.
    Er zuckte locker die Achseln. Dann nickte er in Richtung eines Briefumschlags auf dem Kaminsims. „Meine neue Adresse und Telefonnummer. Da ist auch Geld für dich drin.“
    „Thomas …“, hob ich an.
    Er trank einen Schluck Bier und schüttelte den Kopf. „Nein, nimm es. Du hast mir angeboten, bei dir zu bleiben, bis ich wieder auf eigenen Füßen stehe. Ich war fast zwei Jahre hier. Ich schulde es dir.“
    „Nein“, sagte ich.
    Er runzelte die Stirn. „Bitte.“
    Eine Minute lang starrte ich ihn einfach an, und alle möglichen Gefühle rangen in meiner Brust um die Vorherrschaft. Ein Teil von mir war auf kindische Weise erleichtert, dass meine Wohnung endlich wieder mir gehörte. Ein viel größerer Teil aber fühlte sich unerwartet leer und besorgt. Wieder ein anderer Teil freute sich für Thomas und war ganz begeistert. Seit er sich auf meiner Couch häuslich eingerichtet hatte, war Thomas damit beschäftigt gewesen, seine Wunden zu lecken. Eine Zeit lang hatte ich gefürchtet, er würde vor lauter Verzweiflung und Selbstekel einfach implodieren, und irgendwie war mir bewusst, dass sein Wunsch, endlich wieder auf sich gestellt zu sein, ein Zeichen seiner Genesung war. Ein Teil dieser Genesung war für Thomas, sein Selbstbewusstsein und seinen Stolz wiederzuerlangen. Stolz. Ich konnte das Geld nicht ablehnen, ohne ihm diesen Stolz wieder zu nehmen.
    Außer den verschwommenen Erinnerungen an meinen Vater war Thomas die einzig wahre Familie, die ich je gekannt hatte. Thomas hatte an meiner Seite Gefahr und dem sicheren Tod getrotzt, ohne zu zögern. Er hatte über mich gewacht, während ich schlief, mich gepflegt, wenn ich verletzt war, und hie und da hatte er sogar gekocht. Klar gingen wir einander ab und zu auf die Nerven, aber das änderte nichts an der Tatsache, wie wir zueinander standen.
    Wir waren Brüder.
    Alles andere war nur zeitweilig.
    Ich sah ihm in die Augen und fragte leise: „Wirst du klarkommen?“
    Er lächelte und zuckte die Achseln. „Ich denke schon.“
    Ich neigte den Kopf zur Seite. „Wo hast du das Geld her?“
    „Von meinem Job.“
    Ich hob die Brauen. „Du hast einen Job, den du tatsächlich halten konntest?“
    Er zuckte unmerklich zusammen.
    „Tut mir leid“, sagte ich. „Aber … ich weiß doch, wie viele Schwierigkeiten es dir bereitet hat.“ Besonders, wenn er den amourösen Avancen seiner Kolleginnen ausgesetzt war, die sich zum Teil derart von ihm angezogen fühlten, dass sie sich körperlich auf ihn gestürzt hatten. Ein Inkubus zu sein ist wahrscheinlich in Nachtclubs und auf Promi-Partys einfacher als in einem Fastfoodrestaurant oder an der Supermarktkasse. „Du hast etwas gefunden?“
    „Etwas ohne Leute“, sagte er. Er lächelte bei diesen Worten ungezwungen, doch irgendwie fühlte ich, dass er mich leimen wollte. Er sagte nicht die ganze Wahrheit. „Bin schon eine Weile dort.“
    „Ja?“, fragte ich. „Wo?“
    Er wich mir mühelos aus. „Unten in der Nähe vom Lake View. Habe etwas zur Seite gelegt. Ich wollte es dir einfach nur zurückgeben.“
    „Da musst du aber ganz schön Überstunden geschoben haben“, sagte ich. „Wenn ich nicht völlig falsch liege, hast du den Lohn von Achtzig- oder Neunzigstundenwochen hier reingetan.“
    Er zuckte abermals die Achseln, und sein Gesicht war eine steinerne Maske. „Ich arbeite hart.“
    Ich nahm einen Schluck Bier (das auch kalt vorzüglich war) und ließ mir unser bisheriges Gespräch durch den Kopf gehen. Wenn er nicht darüber sprechen wollte, würde er nicht darüber sprechen. Wenn ich ihn unter Druck setzte, würde er mir nicht mehr verraten. Es machte nicht den Anschein, als stecke er in Schwierigkeiten, und auch wenn er ein höllisch gutes Pokerface hatte, wohnte ich doch schon einige Zeit mit ihm zusammen und durchschaute ihn meistens. Thomas hatte sich noch nie zuvor allein durchgeschlagen. Nun, da er sicher war, es schaffen zu können, war es ihm sehr wichtig.
    Selbst für sich zu sorgen war etwas, was er um seiner Selbst willen tun musste.

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