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Harry Dresden 08 - Schuldig

Harry Dresden 08 - Schuldig

Titel: Harry Dresden 08 - Schuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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zu einer Tür gegenüber im Flur. So sehr es mir auch widerstrebte, ich griff erneut nach meiner magischen Sicht und bereitete mich so gut wie möglich vor, während ich Murphy auf dem Fuß folgte, um mir Pell anzusehen.
    Pell war ein unfreundlicher, alter Miesepeter, den man höchstwahrscheinlich aus Schuhleder und Knorpeln zusammengebastelt hatte. Ein Arm und beide Beine waren eingegipst und hingen an einer Streckvorrichtung. Eine Seite seines Gesichts war angeschwollen und mit dunklen Hämatomen übersät. Ein Plastikschlauch für Sauerstoff verschwand in seiner Nase. Bandagen waren um seinen Kopf gewickelt, wenn auch hie und da Strähnen grauen Haares hervor lugten. Ein Auge war fast komplett zugeschwollen. Das andere war geöffnet und glitzerte dunkel.
    Unter der stofflichen Oberfläche waren seine Verletzungen beinahe ebenso gravierend wie die des Mädchens. Er war brutalst geschlagen worden. Phantomblutergüsse bedeckten seine faltige Haut, und die Umrisse verformter Knochen waren auf beunruhigende Weise darunter erkennbar. Doch ich fand noch etwas über den alten Mann heraus. Unter all dem Schuhleder und Knorpel befanden sich noch mehr Schuhleder und Knorpel. Auch wenn der alte Mann schlimmstens in die Mangel genommen worden war, war es nicht das erste Mal, dass er so eine Tracht Prügel – körperlich und seelisch – überstanden hatte. Er war ein Kämpfer, ein Überlebenskünstler. Er hatte Angst, doch er war auch widerspenstig und stinksauer.
    Was auch immer ihm das angetan hatte, es hatte nicht bekommen, was es ursprünglich gesucht hatte – ganz anders als bei dem Mädchen. Also hatte es sich auf einen rein körperlichen Angriff beschränken müssen, da sein seelischer nicht das Entsetzen und das Leid ausgelöst hatte, die es erwartet hatte. Der alte Mann war ihm von Angesicht zu Angesicht gegenübergetreten, auch wenn ihm keine andere Macht zur Verfügung stand als ein sein ganzes Leben lang gestählter, unbeugsamer Wille. Wenn er das zu Stande gebracht hatte, so schmerzhaft und furchteinflößend es auch gewesen sein mochte, dann konnte ich mich auch zusammenreißen und mir die Auswirkungen mit meinem magischen Blick ansehen.
    Schließlich schloss ich meine magische Sicht wieder und atmete tief ein. Murphy hatte sich neben mir aufgebaut. Anscheinend erwartete sie, dass ich jeden Augenblick zusammenklappen könnte. Sie legte den Kopf schief und beäugte mich aufmerksam.
    „Mir geht’s gut“, versicherte ich.
    Pell stieß einen schwachen, aber unanständigen Laut aus. „Weichei. Sie haben ja noch nicht mal einen Gips.“
    Ich wandte mich an den alten Mann und fragte: „Wer hat Ihnen das angetan?“
    Er schüttelte den Kopf in einer matten Bewegung. „Verrückt.“
    Murphy wollte etwas sagen, doch ich bedeutete ihr mit einem Kopfschütteln, noch zu warten, und sie blieb still.
    „Sir“, sagte ich zu Pell. „Ich schwöre, ich bin kein Bulle. Ich bin auch kein Mediziner. Aber ich denke, dass Sie etwas Seltsames mit angesehen haben.“
    Er starrte mich an, und sein gutes Auge verengte sich zu einem Schlitz.
    „Nicht wahr?“, fragte ich leise.
    „Ha… H...h...“ versuchte er zu sagen, doch seine Worte wurden zu einem leisen, trockenen Husten.
    Ich hob eine Hand und wartete, bis er sich wieder erholt hatte. Dann sagte ich: „Hammerhand.“
    Pells Lippen verzogen sich zu einem leisen, schwachen Hohnlächeln. Seine gesunde Hand bewegte sich schwach, und ich trat näher an ihn heran.
    „Sie haben Greene gesagt, es sei jemand gewesen, der sich wie Hammerhand verkleidet hatte“, riet ich.
    Pell schloss entkräftet sein Auge. „So in etwa.“
    Ich nickte. „Aber es war kein Kostüm“, fuhr ich ruhig fort. „Das war mehr.“
    Pell schauderte leicht, ehe er sein Auge erneut öffnete, das vor Ermüdung ganz matt war. „Weiß nicht wie. Ergibt keinen Sinn. Aber … man konnte es fühlen.“
    „Ich glaube Ihnen“, versicherte ich ihm.
    Er musterte mich eine Sekunde, nickte und schloss dann wieder sein Auge. „Es ist so. Das war der einzige gottverdammte Film, der mir je Angst eingejagt hat. War nicht mal so gut.“ Er schüttelte schwach den Kopf und sagte: „Verduften Sie.“
    „Danke“, meinte ich leise. Dann drehte ich mich um und ging zur Tür.
    Murphy folgte mir, und wir gingen wieder die Treppe hinunter. „Harry?“, fragte sie. „Was hatte das zu bedeuten?“
    „Pell“, entgegnete ich. „Er hat uns gegeben, was wir brauchten.“
    „Ja?“
    „Ja“, sagte ich. „Ich denke, das

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