Harry Dresden 09: Weiße Nächte
berührtes Husten aus. „Die werden manchmal, äh, zum Freizeitvergnügen benutzt.“
Ich fühlte, wie meine Wangen heiß wurden. „Ah. Klar. Butters, hast du einen Filzstift?“
Er holte einen aus seiner Schreibtischschublade und warf ihn mir zu. Ich gab ihn Molly. „Zeig mir, wo.“
Sie nickte, legte sich auf den Rücken und zog ihr Shirt hoch. Dann schloss sie die Augen und fuhr sich langsam mit dem Stift über den Unterleib, wobei ihre Augenbrauen vor Konzentration zusammengekniffen waren.
Als sie fertig war, war in mehreren großen Buchstaben klar in schwarzer Tinte zu lesen:
EX 22:17
Schon wieder Exodus.
„Meine Damen und Herren“, verkündete ich verhalten, „wir haben es mit einem Serienmörder zu tun.“
4. Kapitel
M olly war auf dem Rückweg schweigsam. Sie hatte den Kopf mit halb geschlossenen Augen gegen die Seitenscheibe gelehnt und badete wahrscheinlich nach wie vor im Nachhall der Gefühle.
„Molly“, wandte ich mich mit meiner sanftesten Stimme an sie. „Heroin fühlt sich auch gut an. Frag Rosy und Nelson.“
Das glückselige Lächeln verschwand, und sie starrte mich einige Zeit mit ausdrucksloser Miene an. Allmählich bildeten sich nachdenkliche Falten auf ihrer Stirn, die schließlich einem angewiderten Ausdruck wichen.
„Es hat sie umgebracht“, sagte sie schließlich. „Es hat sie getötet. Ich meine, es hat sich so unglaublich gut angefühlt … aber das war es nicht.“
Ich nickte.
„Sie wusste es nicht. Sie hatte nicht die kleinste Chance.“ Für einen Moment war Molly ganz schön grün um die Nase. „Es war ein Vampir, nicht? Einer vom Weißen Hof? Ich meine, die benutzen doch Sex, um sich von der Lebenskraft von Menschen zu nähren?“
„Das wäre eines der Dinge, die unter Umständen dafür verantwortlich sein könnten“, antwortete ich ruhig. „Doch im Niemalsland spuken verdammt viele dämonische Wesenheiten rum, die total auf diese Sukkubusnummer abfahren.“
„Sie ist in einem Hotel umgebracht worden“, fuhr Molly fort. „Wo es keine Schwelle gab, um sie vor einem Dämon zu schützen.“
„Sehr gut, Grashüpfer“, sagte ich. „Wenn man bedenkt, dass die anderen Opfer nicht im Stil des Weißen Hofes umgelegt worden sind, bedeutet das entweder, dass wir es mit mehreren Mördern zu tun haben oder dass er seine Methoden variiert. Noch ist es zu früh für etwas anderes als Schüsse ins Blaue.“
Sie runzelte die Stirn. „Was wirst du als nächstes tun?“
Ich dachte eine Minute darüber nach. „Ich muss herausbekommen, was alle Opfer des Mörders gemeinsam hatten, wenn es überhaupt Ähnlichkeiten gibt.“
„Sie sind tot?“, schlug Molly vor.
Ich grinste schwach. „Außer dieser bekannten Tatsache.“
„Gut“, bohrte sie weiter. „Also, was wirst du tun?“
Ich nickte in Richtung des Papierstapels, den mir Butters ausgehändigt hatte und der nun auf dem Armaturenbrett ruhte. „Ich fange damit an. Ich sehe mal, was ich aus den Daten, die ich habe, extrapolieren kann. Dann besuche ich Leute und beginne, Fragen zu stellen.“
„Was mache ich?“, wollte sie wissen.
„Kommt darauf an. Wie viele Perlen kannst du bewegen?“, fragte ich sie.
Sie funkelte mich eine Minute lang böse an. Dann knotete sie das Armband mit den dunklen Perlen von ihrem linken Handgelenk und hielt es hoch. Die Perlen glitten an der Schnur entlang nach unten und gaben etwa sieben bis zehn Zentimeter bloßen Fadens frei.
Molly konzentrierte sich auf ihr Armband, einen Gegenstand, den ich hergestellt hatte, um ihr zu helfen, ihre Gedanken zu bündeln und geistige Ausgeglichenheit zu finden. Konzentration und Ruhe waren von größter Notwendigkeit, wenn man mit Magie um sich warf. Sie war die ursprüngliche Kraft der Schöpfung, und reagierte stark auf Gedanken und Gefühle – ob man wollte oder nicht. Wenn man in Gedanken woanders war, sich zu sehr in Gefühlen verstrickte oder nicht genau Acht gab, was man gerade tat, war es möglich, dass Magie vollkommen unvorhersehbar und gefährlich reagierte.
Molly lernte das gerade noch. Sie hatte Talent, verstehen Sie mich bitte nicht falsch – was ihr fehlte war nicht Begabung, sondern Einschätzungsgabe. Genau das hatte ich ihr im Verlauf des letzten Jahres beizubringen versucht – ihre Macht verantwortungsvoll und vorsichtig einzusetzen und einen Höllenrespekt davor zu entwickeln, was die Kunst alles anrichten konnte. Wenn sie nicht bald etwas Beständigkeit in die Rübe auf ihrem Hals hämmern konnte, würde sie
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