Harry Dresden 09: Weiße Nächte
Ordnung?“
„Oh Gott.“ Sie seufzte lächelnd. „Ja.“
Ich knurrte etwas in meinen Bart, versuchte, die eintrudelnden Kopfschmerzen zwischen meinen Augen wegzurubbeln und gab mich finsteren Gedanken hin. Verflixt – jedes Mal, wenn ich in einer Ermittlung irgendeinen grausamen, psychischen Schock märtyrerhaft auf mich nahm, fing ich mir einen weiteren Alptraum für meine erkleckliche Sammlung ein. Nun stand sie das erste Mal am Start, und was bekam der Grashüpfer?
Was hatte sie eigentlich gehabt?
„Berichte mir sofort, was du gefühlt hast. Manchmal verflüchtigen sich die Details fast augenblicklich, als vergäße man einen Traum.“
„Gut“, murmelte sie schläfrig und gedehnt. „Details. Sie …“ Molly schüttelte den Kopf. „Sie hat sich gut gefühlt. Wirklich, wirklich gut.“
„Soviel ist mir auch aufgefallen“, sagte ich. „Was noch?“
Molly schüttelte noch eine Weile langsam den Kopf. „Nichts sonst. Nur das. Es waren einfach nur Empfindungen. Ekstase.“ Ihre Stirn zog sich in Falten, als sie sich bemühte, ihre Gedanken zu ordnen. „Als seien ihre übrigen Sinne dadurch irgendwie geblendet gewesen. Ich glaube, da war sonst nichts. Weder zu sehen noch zu hören. Weder Gedanken noch Erinnerungen. Nichts. Sie bekam nicht einmal mit, wie sie starb.“
„Denk darüber nach“, sagte ich leise. „Alles, woran du dich erinnerst, kann wichtig sein.“
In diesem Augenblick kam Butters mit einer Flasche Wasser, auf der sich mehrere Tropfen Kondenswasser gebildet hatten, zurück. Er warf sie mir zu, und ich reichte das kühle Getränk an Molly weiter. „Hier“, wies ich sie an. „Trink.“
„Danke.“ Sie öffnete die Flasche, drehte sich auf eine Seite und begann, das Wasser hinunterzustürzen, ohne sich auch nur aufzusetzen. In dieser Pose sah ihre Kleidung noch enger aus.
Butters glotzte für einen Augenblick, dann seufzte er und zwang sich augenscheinlich, zu seinem Schreibtisch hinüberzudackeln, um dort damit zu beginnen, Bleistifte zu spitzen. „Was haben wir herausgefunden?“
„Sieht aus, als wäre sie glücklich gestorben“, knurrte ich. „Hast du einen Drogentest gemacht?“
„Klar. Ein Rest THC, aber den kann sie sich auch genauso gut auf einem Konzert eingefangen haben. Ansonsten war sie sauber.“
„Verdammt“, sagte ich. „Fällt dir sonst noch etwas ein, was einem Opfer … so etwas antun könnte?“
„Nichts Pharmakologisches“, verneinte Butters. „Vielleicht, wenn man ihr einen Draht in die Lustzentren des Gehirns gerammt und diese ständig stimuliert hätte. Aber, äh, ich kann keine Spuren entdecken, dass man ihr den Schädel operativ geöffnet hätte, und so was wäre mir echt aufgefallen.“
„Mhm“, antwortete ich eloquent.
„Also muss es etwas aus dem gruseligen Eck sein“, schlussfolgerte Butters.
„Könnte sein.“ Ich konsultierte erneut meinen Papierstapel. „Was hat sie so gemacht?“
„Das wusste niemand“, sagte Butters. „Scheint fast, als hätte niemand mehr über sie gewusst. Niemand hat die Leiche eingefordert. Wir konnten auch keine Verwandten finden. Deshalb ist sie auch noch hier.“
„Auch keine hiesige Adresse?“, fragte ich.
„Nein, nur die auf einem in Indiana ausgestellten Führerschein, aber das ist auch eine Sackgasse. Sonst war nicht viel in ihrer Handtasche.“
„Der Mörder hat die Kleider mitgenommen?“
„Offensichtlich“, stimmte Butters zu. „Aber wieso nur?“
Ich zuckte die Achseln. „Vielleicht war etwas an der Kleidung, was niemand finden sollte.“ Ich bleckte die Zähne. „Oder etwas, von dem er nicht wollte, dass ich es finde.“
Molly setzte sich plötzlich kerzengerade auf. „Harry, ich erinnere mich an etwas.“
„Ja?“
„Ein Gefühl“, sagte sie und legte eine Hand über ihren Nabel. „Es war, als … als hätte ich gehört, wie zwanzig verschiedene Bands gleichzeitig spielen, nur habe ich es gefühlt. Da war eine Art stechendes Kitzeln auf ihrem Bauch. Wie eines dieser medizinischen Nadelräder.“
„Ein Wartenbergrad“, warf Butters hilfreich ein.
„Hä?“, sagte ich.
„Wie das, das ich verwende, um die Nerven in deiner Hand zu testen, Harry“, erklärte Butters.
„Oh, oh, ja.“ Ich sah Molly stirnrunzelnd an. „Woher zum Teufel weißt du, wie sich so ein Ding anfühlt?“
Molly bedachte mich mit einem trägen, hintergründigen Lächeln. „Das ist eines der Dinge, zu denen du keine Erklärung von mir hören willst.“
Butters stieß ein peinlich
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