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Harry Dresden 09: Weiße Nächte

Harry Dresden 09: Weiße Nächte

Titel: Harry Dresden 09: Weiße Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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widerfahren.“
    Butters pfiff leise. „Oh. Ja. Das kann ziemlich übel sein.“
    Wir langten wieder beim anderen Untersuchungssaal an, und ich spähte durch die Tür, ehe ich sie öffnete. Molly saß mit geschlossenen Augen auf dem Boden, ihre Beine waren im Lotossitz verschlungen, und ihr Kopf war leicht nach oben gereckt. Ihre Hände ruhten auf ihren Schenkeln, und sie hatte ihre Daumenspitzen an die Spitzen ihrer Mittelfinger gepresst.
    „Leise“, murmelte ich. „Keinen Lärm, bis sie fertig ist, ja?“
    Butters nickte. Ich öffnete die Tür, so leise ich konnte. Wir schoben die fahrbare Trage in den Raum, stellten sie vor Molly, und dann winkte ich Butters zur gegenüberliegenden Wand hinüber, wo wir es uns gemütlich machten, während wir warteten.
    Molly brauchte über zwanzig Minuten, um sich auf den vergleichsweise einfachen Zauber zu konzentrieren. Die Absicht, den Willen zu bündeln, ist ein wesentlicher Bestandteil jeder Magie. Ich hatte schon so oft Macht bündeln und die Konzentration darauf über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten müssen, dass es mich nur noch eine bewusste Willensanstrengung kostete, wenn ich einen besonders komplexen oder gefährlichen Zauber weben wollte oder der Meinung war, es sei klüger, langsam und vorsichtig vorzugehen. Meist bedurfte es nur eines Sekundenbruchteils, um meinen Willen zu fokussieren – was von kritischer Bedeutung war, wenn es um Schnelligkeit ging. Sabbernde Monstrositäten und übelgelaunte Vampire ließen einem selten zwanzig Minuten, um den ersten Schlag vorzubereiten.
    Molly jedoch hatte noch einen verdammt weiten Weg vor sich, auch wenn sie sich sonst als äußerst schnelle, begabte Schülerin erwies.
    Als sie endlich ihre Augen öffnete, blickten diese ohne Fokus in die Ferne. Sie erhob sich langsam und begab sich mit sorgsamen Bewegungen zu der fahrbaren Trage mit der Leiche hinüber. Sie zog das Tuch weg und legte das Gesicht des toten Mädchens frei. Dann beugte sich Molly mit immer noch entrücktem Blick vor und flüsterte leise ein paar Worte, als sie die Lider der Toten öffnete.
    Sie empfing direkt etwas.
    Sie riss die Augen weit auf und keuchte kurz. Sie atmete einige Male stoßartig ein und aus, und ihre Augen rollten im Kopf nach oben. Für ein paar Sekunden stand sie bebend wie angewurzelt, dann entwich ihr Atem in einem heiseren, rauen Aufschrei, und ihre Knie knickten ein. Sie krachte jedoch nicht zu Boden, eher schmolz sie der Erde entgegen. Dann blieb sie liegen, atmete schwer und gab einen unablässigen Strom kehliger Seufzer von sich.
    Sie keuchte weiter heftig, und ihre Augen starrten in die Ferne. Ihr Körper erbebte, als sie sich wie von einer Woge erfasst immer wieder aufbäumte, was das Auge des Betrachters spontan zu ihren Hüften und ihren Brüsten zog. Dann sackte sie in sich zusammen, und ihr Stöhnen verebbte, auch wenn nach wie vor bei jedem Ausatmen schwache, eindeutig befriedigte Seufzer über ihre Lippen sprudelten.
    Ich blinzelte sie bestürzt an.
    Nun.
    Das hatte ich nun wirklich nicht erwartet.
    Butters schluckte vernehmlich. Dann sagte er: „Äh. Hat sie gerade getan, was ich glaube?“
    Ich zog die Lippe kraus. „Um. Eventuell.“
    „Was ist gerade passiert?“
    „Sie, öhm.“ Ich hustete. „Sie hatte etwas.“
    „Natürlich hatte sie etwas“, brabbelte Butters. „Etwas, das ich vor zwei Jahren das letzte Mal hatte.“
    Bei mir war es eher an die vier Jahre her. „Wem sagst du das?“, sagte ich mit mehr Nachdruck, als ich beabsichtigte.
    „Ist sie minderjährig?“, fragte er. „Rechtlich gesehen?“
    „Nein.“
    „Gut. Dann fühle ich mich nicht ganz so … nabokovisch.“ Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. „Was nun?“
    Ich versuchte, möglichst professionell und unbeeindruckt auszusehen. „Wir warten, bis sie sich erholt hat.“
    „Aha.“ Er schaute zu Molly hinüber und seufzte. „Ich sollte mehr rauskommen.“
    „Dein Wort in Gottes Ohr, Mann“, dachte ich. Laut sagte ich:
    „Könntest du ihr vielleicht etwas Wasser oder was Ähnliches besorgen?“
    „Klar“, sagte er. „Für dich?“
    „Nö.“
    „Bin gleich wieder da.“ Butters deckte den Leichnam zu und schlüpfte nach draußen.
    Ich ging zu Molly hinüber und kauerte mich neben ihr nieder. „He, Grashüpfer. Hörst du mich?“
    Sie brauchte ungewöhnlich lang, um mir zu antworten, gerade so, als telefoniere sie vom anderen Ende der Welt aus mit mir. „Ja. Ich … ich höre dich.“
    „Bist du in

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