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Harry Dresden 09: Weiße Nächte

Harry Dresden 09: Weiße Nächte

Titel: Harry Dresden 09: Weiße Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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blauen Käfer auf den Tresen.
    Mac reichte mir ein weiteres Bier, und ich ging unterwegs aus der Flasche nippend zu meinem Tisch zurück. Mein Weg führte an einer Säule vorbei, aus der man einen hässlichen Riesen geschnitzt hatte, dessen Knöchel Feenritter angriffen. Am Ende meiner Reise von der Bar zu meinem Tisch war das Bier fast leer.
    Normalerweise hatte ich nicht so einen ausgeprägten Zug. Ich hätte vermutlich etwas vorsichtiger sein sollen, doch ich wollte mich wirklich, wirklich nur ungern nüchtern mit der Materie befassen. Mein teuflischer Hintergedanke war, dass die ganzen hässlichen Dinge, die ich durch meine Hirnwindungen ziehen würde, vielleicht nicht einen ganz so tiefen Eindruck hinterlassen würden, wenn die graue Masse einfach matschig genug war.
    Ich setzte mich, um die Informationen über die toten Frauen durchzugehen, die mir Butters hatte zukommen lassen. Ich hielt verdammt inne, um Biernachschub zu holen. Ich las die Worte zwar, aber irgendwie erfüllte mich ein seltsames Gefühl der Leere. Ich las die Worte, verstand sie, aber irgendwie erschienen sie mir nicht im Mindesten relevant und verschwanden wie Kiesel in einem Brunnenschacht – sie zogen zwar schwache Kreise im Wasser, doch am Ende waren sie verschwunden.
    Mich beschlich das Gefühl, zwei der Opfer wiederzuerkennen, auch wenn mir die Namen nicht einfielen. Ich war ihnen wahrscheinlich schon einmal begegnet, vielleicht sogar hier im McAnally‘s. Die anderen sagten mir nichts, aber ich kannte auch nicht gerade jedes Gesicht in unserer Gemeinde.
    Ich hörte für ein paar Minuten auf zu lesen und trank noch ein paar Schluck. Ich wollte nicht weitermachen. Ich wollte all das nicht sehen. Ich wollte nicht in diese Sache hineingeraten. Ich hatte schon mehr als genug Menschen gesehen, denen man wehgetan oder die man ermordet hatte. Ich hatte schon zu viele tote Frauen gesehen. Ich wollte die Papiere einfach verbrennen, die Tür hinter mir zuknallen und einen Fuß vor den anderen setzen, ohne je wieder anzuhalten.
    Stattdessen widmete ich mich wieder meiner grauenhaften Lektüre.
    Am Ende hatte ich keine offensichtliche Verbindung zwischen den Opfern ausfindig machen können. Ich leerte gerade meine fünfte Flasche Bier, und draußen war es bereits dunkel. Im Pub war es leise geworden.
    Ich sah mich um und stellte fest, dass ich mit Macs Ausnahme die Bar völlig für mich allein hatte.
    Das war seltsam. Auch wenn Macs Lokal selten rammelvoll ist, ist am Abend für gewöhnlich doch einiges los. Ich konnte mich nicht erinnern, das Pub zur besten Zeit für ein herzhaftes Abendessen je völlig leer gesehen zu haben.
    Mac kam mit einer weiteren Flasche zu mir herüber und stellte sie genau in dem Moment vor mir ab, als ich mit der vorhergehenden fertig wurde. Er schaute von der vollen Flasche zu der gläsernen Reihe leerer hinüber.
    „Habe ich meinen Zwanziger aufgebraucht?“, fragte ich ihn.
    Er nickte.
    Ich grunzte, zückte meinen Geldbeutel und legte einen weiteren Zwanziger auf den Tisch.
    Macs nachdenklicher Blick schweifte zwischen dem Geldschein und meinem Gesicht hin und her.
    „Ich weiß“, sagte ich. „Üblicherweise trinke ich nicht so viel.“
    Er schnaubte leise. Mac war kein Mann großer Worte.
    Ich wedelte mit der Hand vage in die Richtung der Papierstapel. „Ich hasse es, mit ansehen zu müssen, wie man einer Frau wehtut. Wahrscheinlich sollte ich es generell hassen, wenn ich ansehen muss, wie jemand einen anderen verletzt, aber bei Frauen ist es schlimmer. Oder bei Kindern.“ Ich starrte unverwandt auf die Papierstapel und ließ dann den Blick durch die jetzt leere Bar gleiten. Ich zählte eins und eins zusammen. „Bring noch ein weiteres Bier“, bat ich ihn. „Setz dich.“
    Macs Brauen hoben sich. Dann ging er zum Tresen, besorgte sich selbst eine Flasche und kam zu mir herüber, um sich an meinen Tisch zu setzen. Er schraubte den Kronkorken ohne Flaschenöffner mit einer zackigen Handbewegung ab. Mac ist Profi. Er schob meine Flasche zu mir herüber und hob seine eigene.
    Ich nickte ihm zu. Wir stießen an und tranken.
    „Also“, sagte ich leise. „Was gibt’s?“
    Mac stellte sein Bier ab und sah sich im leeren Pub um.
    „Ich weiß“, sagte ich. „Wo sind die alle hin?“
    „Weg“, sagte Mac.
    Wenn Dagobert Duck Worte statt Geld gehortet hätte, er hätte neben Mac wie Donald ausgesehen. Mac war ein erbitterter Feind jeglicher geschwollener Ausdrucksweise.
    „Weg“, sagte ich. „Weg von mir,

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