Harry Dresden 09: Weiße Nächte
an der Chose. Falls das Duo die Herausforderung ablehnte, würde Raith dem Rat für die Toten einfach nur ein Wergeld entrichten müssen, und das wäre es aber auch schon. Natürlich würden sie damit öffentlich eine Niederlage eingestehen, was jeglichen Einfluss, den sie am Weißen Hof hatten, auf einen Schlag vernichten und in Folge auch Fürstin Malvora schwächen würde – nicht so sehr, weil sie einem Kampf aus dem Weg gegangen waren, sondern weil man sie ausmanövriert und sie dazu gezwungen hatte, vor einer bevorstehenden Herausforderung mit eingezogenem Schwanz zu fliehen.
Natürlich war es auf lange Sicht genauso tödlich, wenn man vor hundert skrupellosen Raubtieren, und seien sie noch so gut angezogen, seine eigene Ohnmacht eingestand. Wie auch immer. Fürstin Malvoras beabsichtigter Staatsstreich wäre zu Ende. Es wäre bewiesen, dass ihr dummdreister Plan viel zu offensichtlich gewesen war und förmlich danach schrie, dass jemand darauf aufmerksam wurde, und das stand im kollektiven Ansehen der Vampire nicht besonders hoch. Als Ergebnis würde nun der Weiße König und nicht Fürstin Malvora das weitere Vorgehen des Weißen Hofes im Hinblick auf die Politik bestimmen.
Fürstin Malvoras einziger Ausweg war ein Sieg in dem bevorstehenden Urteil, und eben darauf baute ich. Ich wollte, dass Vitto und Madrigal kämpften. Wergeld war nicht genug, um dafür Buße zu tun, was diese Tiere viel zu vielen unschuldigen Frauen angetan hatten.
Ich wollte diesen Bestien eine Lektion erteilen.
Madrigal wandte sich an Vittorio und begann, leise zischend zu reden. Ich schloss die Augen halb und belauschte die Unterhaltung.
„Nein“, murmelte Madrigal. „Niemals. Er ist ein tumber Schläger, aber genau darin ist er gut.“
Vittorio und Fürstin Malvora wechselten einen langen Blick. Dann drehte sich Vitto zu Madrigal um. „Du warst der Schwachsinnige, der seine Aufmerksamkeit erregen wollte, um ihn in die Sache reinzuziehen. Wir kämpfen.“
„Einen Scheiß werden wir“, brummte Madrigal. „Leere Nacht, Ortega konnte es in einem offenen Kampf nicht mit ihm aufnehmen.“
„Jetzt verhalte dich nicht wie ein Mitglied der Herde, Madrigal“, antwortete Vitto. „Das war ein Willensduell. Ein Urteil durch Kampf erlaubt uns alle Waffen und Taktiken, die wir wollen.“
„Viel Spaß. Ich werde nicht gegen ihn antreten.“
„Doch, wirst du“, erwiderte Vittorio. „Du kannst dich dem Magier stellen. Oder Tantchen Cesarina.“
Madrigal erstarrte und starrte Vitto fassungslos an.
„Ich verspreche dir, dass es im Vergleich um einiges schneller und schmerzloser vorüber sein wird, sollte er dich bei lebendigem Leibe verbrennen. Entscheide dich. Du bist entweder für die Malvoras oder gegen uns.“
Madrigal schluckte und schloss die Augen. „Hurensohn.“
Vittorios Mund weitete sich zu einem breiten Lächeln, als er sich umdrehte, um den Weißen König auf Etruskisch anzusprechen. „Wir weisen die grundlose Anschuldigung der Missgeburten entschieden zurück und nehmen die Herausforderung an, mein König. Wir werden diese Ungerechtigkeit durch seinen Leichnam beweisen.“
„W... Waffen“, stammelte Madrigal unsicher. Lasciels Übersetzung war fließend, doch es war nicht allzu schwer herauszubekommen, dass Madrigals Etruskisch wahrscheinlich ebenso mies war, wie mein Latein. „Waffen brauchen wir für diesen Kampf. Sklaven wir schicken müssen, um sie uns zu holen.“
Raith lehnte sich in seinem Thronsitz zurück und verschränkte die Arme. „Ich denke, das ist ein nachvollziehbares Ersuchen. Dresden?“
„Keine Einwände“, antwortete ich.
Raith nickte und klatschte in die Hände. „Musik, während wir warten, und eine weitere Runde Wein.“
Fürstin Malvora knurrte, machte auf dem Absatz kehrt und stapfte kochend auf eine der Sitzgruppen zu, wo sie umgehend im Zentrum einer lebhaften Diskussion stand.
Hinter einer Abschirmung begannen Musiker zu spielen. Ein Kammerorchester, noch dazu ein recht gutes. Vivaldi? Große Symphonien lagen mir einfach mehr als kleinere Musikstücke. Um uns herum brach ein Stimmengewirr aus, während Diener mit ihren Silbertabletts und Sektflöten aus Kristallglas ihre Runden machten.
Ramirez sah sich etwas ungläubig in der Kammer um und schüttelte den Kopf. „Das ist ein Irrenhaus.“
„Höhle“, sagte ich. „Eine Irrenhöhle.“
„Was zum Geier geht hier vor?“
Klar. Ramirez hatte keine Kopie einer dämonischen Wesenheit, um Altetruskisch für ihn zu
Weitere Kostenlose Bücher