Harry Dresden 09: Weiße Nächte
aufflackerten. Das wirbelte die Ghule in hohem Bogen durch die Luft wie die Statisten in einer A-Team-Folge. Einige flogen durch den Nebelvorhang hinter dem Thron und in den bodenlosen Abgrund dahinter. Andere knallten gegen die Wände. Wieder andere purzelten durch die Ghule im Blutrausch, die gerade Lord Skavis und seinen Gefolgsleuten ein Ende bereiteten.
Thomas und Hendricks eilten los. Mein Bruder hatte seine Schrotflinte in ein Holster über seiner Schulter geschoben und führte nun seinen Säbel in der einen und das gekrümmte Messer in der anderen Hand. Der erste Ghul, den er erreichte, taumelte noch unter der Wucht meines Angriffs, und Thomas bot ihm nicht die geringste Gelegenheit, sich zu erholen. Der Säbel trennte dem Ghul einen Arm ab, und mit dem gekrümmten Messer hieb ihm Thomas den Kopf von den Schultern. Ein heftiger Tritt ins Kreuz brach dem Ungeheuer die Wirbelsäule und schleuderte die geköpfte Kreatur gegen die nächste in der Reihe.
Hendricks lief an Thomas’ Seite. Der Riese konnte höchstwahrscheinlich trotz seiner Muskelmasse keinen der Ghule überwältigen, dennoch hatte er einen großen Vorteil auf seiner Seite: schiere Masse. Hendricks war ein Gigant von einem Mann, weit über hundertfünfzig Kilo schwer, und sobald er gegen die Ghule schmetterte, hatte ich keine Zweifel mehr, ob er jemals Football gespielt hatte. Er rammte einem aus dem Gleichgewicht geratenen Ghul in den Rücken und schleuderte ihn hilflos zu Boden, donnerte seinen Gewehrschaft in den Hals einer Kreatur, die sich Thomas zugewandt hatte, duckte sich dann mit angezogener Schulter und warf sich einer der betäubten Kreaturen in die Seite und schmetterte auch sie auf den kalten Stein.
Thomas prügelte in der Zwischenzeit einen weiteren Ghul nieder. Danach rempelte Hendricks wie eine Dampflokomotive eine weitere Kreatur aus dem Weg, die seiner geballten Wucht nicht das Geringste entgegenzusetzen hatte, und plötzlich war der Weg zu barbarischen, in schwarzes Blut gebadeten Göttinnen frei.
Lara stand in ihrer Mitte, ihre weißen Roben hafteten durchtränkt vom dunklen Schleim zerschmetterter und verstümmelter Ghule an ihrem Leib, was ihren Körper betreffend nichts mehr allein der Vorstellungskraft überließ. Auch ihr Haar hatte sich völlig mit Blut vollgesogen an ihren Schädel gelegt, und mehrere Locken klebten an ihrer schwarz besprenkelten Wange und ihrer Kehle. In beiden Händen hielt sie Messer mit geflammten Klingen umklammert, die lang genug waren, um als Kurzschwerter durchzugehen, auch wenn Gott allein wusste, wie sie es vollbracht hatte, diese unter ihrer Kleidung zu verbergen. Ihre Augen schimmerten chromfarben, waren triumphierend geweitet, und ich wandte sofort den Blick ab, als in mir ein wahnwitziges Verlangen hochkochte, doch einfach nur herauszufinden, was bei einem Augenkontakt passieren würde.
In diesem Augenblick war Lara viel mehr als nur eine Vampirin des Weißen Hofes, ein Sukkubus, bleich und tödlich. Sie war eine Erinnerung an lang vergangene Zeitalter, in denen die Menschheit blutbesudelten Gottheiten des Krieges und des Todes gehuldigt hatte, als sie die dunkle Mutter verehrt hatten, die wilde Stärke, die es winzigen Frauen auch heute noch ermöglichte, ganze Autos von ihren verunglückten Kindern zu hieven oder ihre Peiniger mit ihrer neugefunden Kraft zu vernichten. In diesem Moment umgab Laras Macht sie wie ein Umhang, tödlich in ihrer ursprünglichen Sinnlichkeit, ihrer puren Stärke.
Links und rechts standen je zwei ihrer Schwestern, alle großgewachsen, alle wunderschön, alle hinreißend und von Blut besudelt, alle mit geflammten Klingen bewaffnet. Ich kannte sie nicht, doch sie fixierten mich mit heißhungriger Intensität, von oben bis unten in eine den Verstand gefährdende, verführerische Zerstörungskraft gebadet. Ich brauchte zwei oder drei Sekunden, um mich wieder daran zu erinnern, was zur Hölle hier vor sich ging.
Lara kam mit wiegenden Hüften einen Schritt auf mich zu, ich sah die Bewegung ihrer Schenkelmuskeln, ihre strahlenden Augen waren auf mich fixiert, und ich spürte ein plötzliches Verlangen, niederzuknien durch mein Hirn zucken … und, äh, noch wo anders. Ich meine, wie schlimm konnte es schon sein? Stellen Sie sich doch einfach einmal den Ausblick von dort unten vor, und es war so lange her gewesen, dass eine Frau …
Verschwommen drang das Aufbrüllen von Murphys und Marcones Waffen an mein Ohr. Ich schüttelte den Kopf und erlangte mein
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