Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)
durch die Tür, und das sengende Licht Amoracchius’ brandete durch die Bahnhofshalle, wo Dutzende oder gar Hunderte von Hob-Kehlen in ein gequältes Heulen ausbrachen. Der Schrei der bösartigen Feen war so laut, dass ich einen unangenehmen Druck auf meinen Ohren spürte, wie bei einem wirklich lauten Konzert.
Noch lauter jedoch erschallte die Stimme Michael Carpenters, Kreuzritter, fleischgewordener Racheengel, Träger der Klinge, die einst einem Knappen namens Floh gehört hatte. „Lava quod est sordium!“, brüllte Michael mit schallender Stimme, die viel zu laut war, um einer menschlichen Kehle entsprungen zu sein. „In nomine dei, sana quod est saucium!“
Nachdem das Schwert aus dem Büro entfleucht war, konnte ich erkennen, dass die Lichter im Raum und auch draußen wieder an waren. „Mouse!“, rief ich. „Bleib! Bewache die Verletzten!“ Ich hetzte mit einem Blick über die Schulter Michael nach. Mouse trottete ein wenig nach vorn und baute sich mit hocherhobenem Kopf und entschlossen gegen den Boden gestemmten Beinen mitten in der Tür zwischen den Hobs und den Leuten auf.
Draußen gab sich die Löschanlage größte Mühe, eine möglichst eindrucksvolle Nachbildung eines miefenden Monsunregens zu erschaffen. Ich glitt nach einigen Schritten in einer Lache aus Wasser und brennendem Blut aus. Das Leuchten des Schwertes war so grell, so rein, ja so schmerzhaft weiß, dass ich meine Augen mit einem Arm schützen musste. Ich konnte Michael nicht direkt ansehen, ja nicht einmal seine unmittelbare Umgebung, also folgte ich ihm einfach anhand der Hob-Stückchen, die sich in seinem Kielwasser auftürmten.
Michaels Schwert hatte einige der bösartigen Feen niedergestreckt.
Es waren die, die Glück gehabt hatten.
Weit mehr – Dutzende, so weit ich sehen konnte – waren außerhalb von Michaels Schwertreichweite zu Boden gestürzt. Sie waren nicht mehr viel mehr als Klumpen glimmender Kohle, von der fettiger Rauch aufstieg, als ihnen das Fleisch bei lebendigem Leibe von den Knochen gekocht wurde. Einige der bald ehemaligen Hobs zuckten in wilder Pein, als sie brannten.
Herrjemine.
Wenn ich Michael als die Faust Gottes bezeichnete, war das kein Spitzname.
Ich folgte Michael und wartete darauf, dass sich das Gleißen des Schwertes legte. Wenn Sprinkler in dem Gebäude von einer anderen Bauart waren als der, den ich für meinen Zauber benutzt hatte, wäre ich nicht in der Lage gewesen, sie zu überhitzen und auszulösen. Falls Michael nochmals in die Trybnis stolpern sollte, wo die Hobs sich geschützt vor dem Licht sammeln konnten, würden sie sich in einer Woge auf ihn stürzen – und das verdammt schnell.
Aber das Glück (oder vielleicht das Schicksal oder Gott oder vielleicht einfach nur die Knausrigkeit eines Stadtplaners) waren mit uns, und es machte den Anschein, als wären alle vom gleichen Typ gewesen. Wasser strömte überall herab und wusch die Trybnis wie eine schmierige Schlammschicht einfach weg und ersetzte sie durch Abertausende von kleinen Regenbögen, als das Licht Amoracchius’ den künstlichen Regenguss durchdrang.
Die Hobs konnten sich nirgends verstecken.
Ich folgte der Spur aus zerschmetterten Scheusalen. Zergeschmetterten Scheusalen? Gezerschmetterten Unholden? Sehen Sie mich nicht so an. Ich habe kein Abi. Vielleicht nimmt man die Konjugation von „zerschmettern“ ja in der Oberstufe durch. Bei der Prüfung für die mittlere Reife wurde ich das allerdings mit Sicherheit nicht gefragt.
Ich blieb stehen, linste so gut es ging durch das blendende Licht und den ständigen Regen der Löschanlage und versuchte herauszubekommen, wo Michael eigentlich hinwollte.
Plötzlich spürte ich eine gewisse Erschütterung unter den Sohlen meiner Schuhe, und ein dumpfes Donnern begleitete ein zweites derartiges Beben. Ich wirbelte in Richtung der Vorderseite des Bauwerks herum, als auch schon in einer Explosion Glas, Ziegel und Beton im Eingangsbereich zerbarsten. Dahinter konnte ich ein leichtes Flackern in der Luft ausmachen. Doch als was auch immer da unter einem Schleier den Bahnhof betrat, wuschen der improvisierte Regen und das grelle Leuchten Amoracchius’ den Zauber einfach hinfort.
Sieben Meter und gute vier bis fünf Tonnen des ältesten Geißleins brachen unter dem Schleier hervor.
Es trug eine Rüstung aus durchsichtigem Kristall, und das Schwert in seiner Hand war länger als mein verdammtes Auto. Es riss den Mund auf, und ich konnte sein Kampfgebrüll über das Tosen der
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