Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)

Schlitzen. Dann hob ich die rechte Hand, bündelte meinen Willen und murmelte: „Ventas reductas . “
    Der Wind, den ich beschwor, war nicht die Sturmböe, die ich normalerweise benutzte. Ich hatte ihn um Einiges abgemildert, und er wehte stetig aus meiner ausgestreckten Hand. All die Arbeit, die ich mit Molly durchführte, hatte mich meinen grundsätzlichen Zugang zu Hervorrufungen, der schnellen, schmutzigen Magie, die Magier in verzweifelten Situationen um sich warfen, noch einmal überdenken lassen. Ich hatte mich bemüht, Molly diesen Zauber beizubringen, doch sie besaß einfach nicht die rohe Kraft, die mir zur Verfügung stand, und es hätte sie umgehend ohnmächtig auf die Bretter geschickt, hätte sie versucht, eine Sturmböe zu rufen. Ich hatte an meinen Lehrmethoden gefeilt, um ihr die Luftmagie auf angenehme Weise näher zu bringen, und durch Zufall hatten wir eine ganz passable Version eines magischen Föhns ausgetüftelt.
    Ich benutzte nun diesen Föhnzauber, um den Staub und den Schnee sanft von der Wand zu pusten. Das kostete mich vielleicht anderthalb Minuten, und als ich fertig war, erschnupperte ich einen zweiten Geruch unter dem Schwefelgestank und verkündete: „Doppelkacke!“
    Murphy trat mit einer Taschenlampe vor und beleuchtete die Mauer.
    Das Zeichen, das an die Wand gemalt war, bestand aus etwas Dickflüssigem, Braunen, das nach Blut roch. Zunächst hielt ich es für ein Pentagramm, doch ich stellte den Unterschied sofort fest.
    „Harry“, sagte Murphy leise. „Ist das Menschenblut?“
    „Wahrscheinlich“, sagte ich. „Sterblichenblut ist die mächtigste Tusche, die man für Symbole bei kraftraubenden Zaubern wie diesem verwenden kann. Ich glaube nicht, dass etwas anderes die schiere Menge an Energie einfangen hätte können, die es bedurft hat, um dieses Gebäude in die Luft zu jagen.“
    „Das ist doch ein Pentagramm, nicht wahr?“, fragte Murphy. „Wie das, das du trägst?“
    Ich schüttelte den Kopf. „Anders.“
    „Wie das?“ Ihr Mundwinkel zuckte. „Wenn man mal vom Blut absieht.“
    „Ein Pentagramm ist ein Symbol der Ordnung“, erwiderte ich leise. „Fünf Zacken, fünf Schenkel. Es symbolisiert die Kräfte des Feuers, des Wassers, der Erde, der Luft und des Geistes. Es ist von einem Kreis umschlossen, die Spitzen berühren den äußeren Ring. Das stellt die Kräfte der Magie dar, die unter menschlicher Kontrolle stehen. Macht, die durch Zurückhaltung aufgewogen wird.“ Ich wies auf das Symbol. „Siehst du, da? Die Zacken des Sterns ragen über den Kreis hinaus.“
    Sie runzelte die Stirn. „Was hat das zu bedeuten?“
    „Ich habe nicht den blassesten Schimmer“, gab ich zu.
    „Donnerwetter“, grinste sie. „Du bist dein Geld absolut wert.“
    „Ha ha. Sieh mal. Selbst wenn ich dieses Symbol schon mal gesehen hätte, könnte es für verschiedene Leute etwas völlig anderes bedeuten. Die Hindus und die Nazis haben zum Beispiel völlig andere Vorstellungen vom Hakenkreuz.“
    „Kannst du einen Tipp abgeben?“
    Ich zuckte die Achseln. „Jetzt mal ins Blaue? Das hier macht unangenehm den Eindruck einer Kombination eines Pentagramms mit dem Anarchiezeichen. Ungezähmte Magie.“
    „Anarchisten-Magier?“, fragte Murphy.
    „Ist nur geraten“, entgegnete ich. Mein Bauchgefühl allerdings verriet mir, dass dies nicht die schlechteste Vermutung war, und ich hatte das Gefühl, dass Murphy diese Einschätzung teilte.
    „Wozu ist dieses Symbol da?“, fragte Murphy. „Was soll es anstellen?“
    „Macht zurückwerfen“, entgegnete ich. „Ich tippe darauf, dass die Energie, die sich durch das Gebäude gefressen hat, von diesem Zeichen reflektiert wurde, was bedeutet …“
    Meine Gedanken fuhren Kajak auf dem Wildbach logischer Schlussfolgerungen. „Was bedeutet, dass die Energie auch von irgendwo hier hineingekommen sein muss.“ Ich wandte mich langsam um und versuchte, die Winkel richtig einzuschätzen. „Der einfallende Strahl muss direkt durch den eingestürzten Teil des Gebäudes gedrungen sein und …“
    „Strahl?“
    Ich wies auf das halbkreisförmige Loch in der kaputten Wand. „Ja. Wärmeenergie, und zwar jede Menge.“
    Sie betrachtete das Loch. „Sieht nicht danach aus, als sei es groß genug, das gesamte Haus einzureißen.“
    „Richtig“, pflichtete ich ihr bei. „Jedenfalls nicht in einer Explosion. Das hier hat einfach nur ein Loch gebohrt. Vielleicht hat es irgendwo einen Brand ausgelöst, aber es hätte nicht die Fassade