Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)
Brotscheiben befand. Mit genügend Senf schmeckte man den Schmorbraten fast gar nicht. Für einige Minuten widmete ich mich ganz meiner Mahlzeit und war sogar hungrig genug, sie ein wenig zu genießen – das war höchstwahrscheinlich, nachdem Mollys Braten meinen Magen derart eingeschüchtert hatte, dass er einfach die Klappe hielt.
Das Telefon klingelte.
Michael ging ran. Er lauschte eine Weile, dann sagte er sanft: „Es ist nie zu spät, Buße zu tun. Nicht einmal für Sie.“
Jemand am anderen Ende der Leitung lachte fröhlich.
„Augenblick“, sagte Michael einen Atemzug später. Er drehte sich zu mir um und legte die Hand auf die Sprechmuschel. „Harry.“
„Er?“, sagte ich.
Michael nickte.
Ich ging zu ihm hinüber und nahm ihm den Hörer ab. „Dresden.“
„Ich bin beeindruckt, Dresden“, erklang Nikodemus’ Stimme. „Vom Höllenhund hatte ich eine beeindruckende Vorstellung erwartet, doch Sie haben mich selbstverständlich wieder einmal überrascht. Ihre Fähigkeiten entwickeln sich schnell. Tessa ist Ihretwegen unausstehlich.“
„Ich bin müde“, erwiderte ich. „Wollen Sie übers Geschäft reden oder nicht?“
„Sonst hätte ich wohl kaum angerufen“, antwortete Nikodemus. „Aber halten wir das Ganze doch etwas einfacher, ja? Nur Sie und ich. Ich habe nicht die Absicht, die gesamte Unterwelt von Chicago oder den Weißen Rat in diese garstige Angelegenheit hineinzuziehen. Gegenseitige Garantie auf freies Geleit vorausgesetzt.“
„Hatten wir schon mal“, knurrte ich.
„Trotz der Tatsache, dass Sie die Neutralität des Treffens verletzt hatten, ehe ich oder einer meiner Leute einen Zug gemacht hatten – was ich übrigens für eine äußerst vielversprechende Tat Ihrerseits halte – bin ich bereit, Ihnen noch einmal mein Vertrauen zu schenken.“
Ich lachte schroff. „Ja. Sie sind ein wahrer Heiliger.“
„Eines Tages“, sagte Nikodemus. „Eines Tages. Aber können wir uns für den Augenblick vielleicht auf ein Treffen von Angesicht zu Angesicht einigen? Unter vier Augen. Nur Sie und ich?“
„Damit Sie und Ihre Bande sich auf mich stürzen können, wenn ich allein bin? Nein danke.“
„Kommen Sie. Wie würden Sie sagen? Ich bin gewillt, übers Geschäftliche zu sprechen. Wenn Sie mir Ihr Wort auf freies Geleit geben, können wir uns sogar auf ihrem Territorium unterhalten.“
„Oh“, meinte ich, „und wo sollte das sein?“
„Das ist mir gleichgültig, solange ich mich mit Ihnen in diesem lächerlichen, geborgten Aufzug nicht zu lange in der Öffentlichkeit zeigen muss.“
Die Härchen in meinem Nacken standen zu Berge. Ich drehte den Kopf leicht zur Seite. Die Fenster zum Hinterhof der Carpenters waren mit Fensterläden und Vorhängen versehen, die allerdings nicht völlig zugezogen waren. Das Licht spiegelte sich blendend im Küchenfenster. Ich konnte dahinter nichts erkennen.
„Wie sieht es aus, Dresden?“, fragte Nikodemus. „Werden Sie mir freies Geleit für unser Gespräch zusichern? Oder sollen meine Männer Sie und die charmante junge Dame an der Küchenspüle unter Feuer nehmen?“
Ich schielte über die Schulter zu Molly hinüber, die gerade Teller abtrocknete. Sie musterte mich aus den Augenwinkeln, offensichtlich extrem interessiert daran, was ich am Telefon zu besprechen hatte, doch das wollte sie sich unter keinen Umständen anmerken lassen.
Ich konnte niemanden warnen, bevor Nikodemus Männer das Feuer eröffnen konnten – und ich glaubte ihm, dass er tatsächlich ein Gefolge bei sich hatte. Höchstwahrscheinlich im Baumhaus. Es bot eine großartige Sicht in die Küche.
„Also gut“, stöhnte ich so laut, dass mich die anderen hörten. „Ich verspreche Ihnen freies Geleit. Für zehn Minuten.“
„Hand aufs Herz?“
Ich knirschte mit den Zähnen. „Nur, um es mir herauszureißen.“
Er lachte wieder. „Wenn Sie den Inhalt unseres Gesprächs für sich behalten, muss ich das zumindest niemandem in der Küche antun.“
Die Verbindung brach ab.
Einen Herzschlag später klopfte jemand an der Tür.
Mouses Grollen hallte durchs ganze Haus, obwohl er im Wohnzimmer geblieben war.
„Harry?“, fragte Michael.
Ich fand meine Schuhe und stopfte meine bloßen Füße hinein. „Ich gehe raus, um mit ihm zu reden. Behalte uns im Auge, aber tu nichts, wenn er nicht anfängt, und gib auf deinen Rücken acht. Die letzte Unterhaltung mit ihm war nur ein Ablenkungsmanöver.“ Ich stand auf, schlüpfte in meinen Staubmantel und angelte mir
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