Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)
veilchenblauen Linie durchzogen waren. „Hier.“
Molly beugte sich herab und beäugte die Karte nachdenklich. „In diesem Teil des Lake Michigan gibt es doch überhaupt keine Inseln. Das ist nur offenes Wasser.“
„Lauscht-dem-Wind hat mir diese Karte gegeben, Miss Carpenter“, sagte Luccio ernst. „Er lebte mehrere Jahrhunderte in diesem Gebiet.“
Ich grunzte. „Mir kommen so einige Legenden zu Ohren. Ich glaube auch, dass es da draußen Inseln gibt. In verschiedenen Kriegen haben Kundschafter sie genutzt. Schmuggler haben während der Prohibition ihren Alkohol aus Kanada dort gebunkert. Aber es ranken sich schon immer Geschichten um diese Inseln.“
Molly runzelte die Stirn. „Was für Geschichten?“
Ich zuckte die Achseln. „Das übliche unheimliche Zeug. Spukgeschichten. Unsichtbare Mächte, die Leute in den Wahnsinn treiben. Unbekannte Wesen, die Menschen in den See verschleppen, und wenn man sie wiederfindet, sind sie mit Waffen abgeschlachtet, die seit Jahrhunderten niemand mehr benutzt.“
„Warum tauchen die Inseln dann auf keiner Karte auf?“, fragte Molly.
„Die Inseln sind gefährlich“, sagte ich. „Weit von jeglicher Hilfe entfernt. Außerdem kann der See im Winter recht fies sein. Überdies gibt es dort auch Steinriffe, die jedes Boot, das zu nahe kommt, ausweiden können. Vielleicht hat sich jemand im Rathaus gedacht, die Inseln wären für die Leute weniger verlockend, wenn sie alle nur für erfunden halten würden, und sich ganz schön Mühe gegeben, sie aus den offiziellen Aufzeichnungen verschwinden zu lassen.“
„Das wäre nie und nimmer möglich“, sagte Molly.
„Es könnte sein“, antwortete Luccio. „Die Energien, die sich um die Inseln sammeln, würden Menschen dazu bringen, sie unbewusst zu meiden. Wenn es sich jemand nicht fest in den Kopf gesetzt hat, würden die meisten Leute einen riesengroßen Umweg um die Inseln machen, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein.“
Ich grunzte. „Wenn dort draußen böser Hokuspokus durch die Luft schwirrt, verwette ich meinen letzten Dollar darauf, dass er Navigationssysteme ganz schön durcheinanderbringt. Zwanzig Dollar, dass keine der größeren Flugrouten auch nur in fünf Meilen Umkreis an diesen Inseln vorbeiführen.“ Ich tippte mit meinem Zeigefinger auf einen Fleck auf der Karte. „Fühlt sich gut an. Sie ist dort.“
Luccio legte ihren Kopf zur Seite, und eine Denkfalte bildete sich auf der Stirn.
„Kommandantin, ich nehme einmal an, Sie haben sich bereits mit dem Rat in Verbindung gesetzt, um Verstärkung anzufordern?“
„Ja“, sagte sie. „Sie wird so schnell wie möglich hier sein – in neun Stunden.“
„Nicht schnell genug.“ Nachdenklich kniff ich die Augen zu. „Ich werde ein paar Gefallen eintreiben.“
„Gefallen?“, fragte Luccio.
„Ja“, antwortete ich. „Ich kenne einen Typen mit einem Boot.“
40. Kapitel
D ie nächste halbe Stunde eilte ich umher, um Einzelheiten zu regeln. Bis auf mich, Molly und Kincaid waren die anderen gegangen, um ihre Positionen für den kommenden Tanz einzunehmen. Ah, und Mouse natürlich.
Mein Hund war verärgert, dass ich ihn nicht ebenfalls mitnehmen würde, und auch wenn er sich pflichtgetreu neben Mollys Füßen zu Boden fallen ließ, schaute er armselig aus der Wäsche.
„Tut mir leid, alter Knabe“, entschuldigte ich mich bei ihm. „Ich will, dass du hierbleibst, Molly hilfst und sie vor jeder Gefahr warnst.“
Er seufzte.
„Ich bin eine ganze Weile auch ohne dich zurecht gekommen“, ließ ich ihn wissen. „Mach dir um mich keine Sorgen.“
Er rollte sich auf den Rücken und warf mir einen weiteren leidenden Blick zu.
„Ha! Du wolltest nur ein Kraulen am Bauch abstauben. Wusste ich’s doch.“ Ich beugte mich vor und erfüllte ihm den Wunsch.
Eine Minute später öffnete sich die Hintertür, und Thomas kam herein. „Endlich“, sagte er. „Ich hocke jetzt schon so lange in meinem Auto rum, dass ich eine poförmige Grube im Sitz hinterlassen habe.“
„Tut mir leid.“
„Werd’s überleben. Was kann ich tun?“
„Du kannst wieder einsteigen und mich bei meiner Wohnung vorbeifahren.“
Thomas warf mir einen ungerührten Blick zu. Dann knurrte er etwas in seinen nicht vorhandenen Bart, zog die Autoschlüssel aus der Tasche und stapfte abermals in den Schnee hinaus.
„Du bist abscheulich“, meinte Molly mit einem Grinsen.
„Was?“, sagte ich. „Ich tue nur meine brüderliche Zuneigung kund!“ Ich schlüpfte in
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