Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)
begrenzt von Nutzen sein, wenn ich mich die ganze Zeit außer Sichtweite rumdrücken muss.“
„Es ist erforderlich. Wenn der Rat wüsste, dass wir verwandt sind …“
„Ich weiß, ich weiß“, unterbrach mich Thomas böse. „Ekelhafte, unreine Aussätzige.“
Ich seufzte und schüttelte den Kopf. Wenn man einmal bedachte, dass der übliche Modus Operandi des Weißen Hofes darin bestand, die Gedanken ihrer Opfer auf die eine oder andere Weise zu manipulieren, wagte ich nicht, jemanden im Rat wissen zu lassen, dass Thomas mein Freund, geschweige denn mein Bruder war. Man hätte augenblicklich das Schlimmste angenommen – dass der Weiße Hof mich in die Krallen bekommen hatte und jetzt über Thomas meine Gedanken kontrollierte. Selbst wenn ich den Rat hätte überzeugen können, dass dies nicht der Fall war, wäre er trotzdem noch immer höllisch misstrauisch gewesen. Der Rat hätte mit Sicherheit von mir verlangt, meine Loyalität unter Beweis zu stellen, indem ich Thomas als Spion gegen den Weißen Hof einsetzte, und sich auch sonst wie die großkotzigen, arroganten Arschlöcher verhalten, die seine Mitglieder ja wirklich waren.
Es war für uns beide nicht einfach, damit zu leben – aber daran würde sich in absehbarer Zeit nichts ändern.
Wir hielten bei meiner Wohnung an, und ich stürmte hinein. Es war kalt. Das Feuer war in der Zwischenzeit völlig niedergebrannt. Ich hob die Hand und murmelte leise etwas vor mich hin, dann entzündete mein Zauber ein gutes Dutzend Kerzen gleichzeitig. Ich schnappte mir alles, was ich brauchen würde, ließ die Kerzen mit einem Winken wieder erlöschen und eilte abermals zu Thomas ’ Auto hinaus.
„Du hast Mutters Drudenfuß dabei, nicht wahr?“, fragte ich ihn. Ich hatte ein identisches Amulett um den Hals hängen – das mit Ausnahme von Thomas die einzige greifbare Hinterlassenschaft meiner Mutter war.
„Natürlich“, entgegnete er. „Ich werde dich finden. Wohin?“
„St. Mary“, sagte ich.
„Habe ich mir fast gedacht.“
Thomas startete den Wagen erneut. Ich öffnete meine doppelläufige Schrotflinte, die ich auf eine illegale Länge abgesägt hatte, und schob zwei Patronen in den Lauf. Tessa, das Gottesanbeterinnen-Mädchen, hatte es unhöflicherweise versäumt, mir nach der Einstellung der Feindseligkeiten meine .44er zurückzugeben, und ich hatte es kaum jemals bereut, eine Knarre dabei zu haben, wenn eine brenzlige Situation bevorstand.
„Hier“, sagte ich, als der Jeep etwa noch einen Block von der Kirche entfernt war. „Hier kannst du mich rauslassen.“
„Geht klar“, sagte er. „He, Harry.“
„Ja?“
„Was, wenn sie das Mädchen nicht auf der Insel gefangen halten?“
Ich schüttelte den Kopf. „Dann musst du dir was einfallen lassen. Ich improvisiere ebenfalls.“
Er runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. „Was ist mit diesen Sommerschlägern? Was wirst du tun, wenn die auch auftauchen?“
„Wenn? So viel Glück kann ich mir gar nicht vorstellen.“ Ich zwinkerte ihm zu und stieg aus dem Hummer. „Die Frage ist, was ich anstellen werde, wenn die nicht im ungünstigsten Moment auf der Bildfläche erscheinen. Wahrscheinlich kippe ich dann aus purer Verblüffung aus den Latschen.“
„Bis später“, verabschiedete sich Thomas.
Ich nickte meinem Bruder zu, schloss die Wagentür und ging über die Straße auf den Parkplatz vor St. Mary of the Angels.
Es war eine große Kirche. Eine wirklichgroße Kirche. Sie nahm einen gesamten Block ein und zählte zu den Wahrzeichen Chicagos, ein amerikanisches Notre Dame. Die Einfahrt, die zu den Lieferanteneingängen an der Seite der Kirche führte, war wie der kleine Parkplatz geräumt. Dort stand nur Michaels Lastwagen. Im schwachen Leuchten der Winternacht, das der Schnee reflektierte, sah ich die Umrisse Michaels und Sanyas neben dem Lieferwagen. Beide trugen weite, weiße Umhänge, auf denen an der Stelle über dem Herzen ein blutrotes Kreuz aufgestickt war. Darunter trugen sie ähnlich verzierte Wappenröcke – der Sonntagsanzug der Kreuzritter. An den Hüften trugen sie ihre Schwerter. Michael hatte einen echten Brustharnisch aus Stahl angelegt, während Sanya modernere Körperpanzerung bevorzugte. Der riesige Russe, der immer mit dem Fortschritt ging, hatte sich auch den Gurt eines Kalaschnikow-Sturmgewehrs über die Schulter geschlungen.
Ich fragte mich, ob Sanya bewusst war, dass Michaels antiquiert wirkender Brustpanzer mit Kevlar und schusssicheren Plättchen
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