Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)
wieder der wichtigen Beschäftigung, aus dem Fenster zu starren.
Im Laden waren noch einige andere Kauflustige, und ich sah, wie sich ein Polizeiauto knirschend durch den Schnee auf der Straße draußen schob, wahrscheinlich, um auf den Alarm im Gebäude zu reagieren. Schön in der Öffentlichkeit. Wahrscheinlich in Sicherheit. Ich war so durchgefroren, dass ich es kaum schaffte, die Tasse zu füllen. Der Kaffee, an dem ich mir etwas die Zunge verbrannte, war köstlich, auch wenn er schwarz war. Ich stürzte das Heißgetränk hinunter und spürte, wie das Gefühl in meinen Körper zurückkehrte.
Ich stand einen Moment lang einfach nur mit geschlossenen Augen da und trank den Kaffee aus. Dann zerquetschte ich den Pappbecher und warf ihn in den Müll.
Jemand hatte sich Marcone gegriffen, und ich musste ihn finden und beschützen. Mich beschlich der Verdacht, dass Murphy davon ganz und gar nicht begeistert sein würde. Herrjemine, mir gefiel es schon nicht. Aber das war es nicht, was mir wirklich Kopfzerbrechen bereitete.
Was mir ernsthaftSorgen machte, war, dass Mab in die Angelegenheit verstrickt war.
Warum hatte sie Grimalkin im Schlepptau, um für sie zu sprechen? Einmal davon abgesehen, dass sie dadurch noch um einiges verstörender wirkte als gewöhnlich. Oh, klar, Mab mochte einen recht offenen Eindruck gemacht haben, doch da lief mehr, als sie verraten hatte.
Zum Beispiel hatte Mab gesagt, die Meuchler des Sommers seien hinter mir her, weil sie mich als Gesandten auserwählt hatte. Aber wenn das stimmte, musste sie das schon Stunden zuvor getan haben, zumindest kurz bevor mich die ersten Geißlein beim Haus der Carpenters angegriffen hatten, und daswar einige Stunden bevor die schlimmen Finger sich Marcone geschnappt hatten geschehen.
Gut, hier hatte jemand ein Spiel am Laufen. Jemand gab sich geheimniskrämerisch.
Ich hatte das miese Gefühl, dass mich Mab wie einen benutzten Pappbecher entsorgen würde, sollte es mir nicht gelingen herauszufinden, wer, wieso und wie.
Nachdem sie mich zerquetscht hatte, selbstverständlich.
8. Kapitel
E in protziger Möchtegernmilitärjeep mit superbreiten Achsen knirschte durch die verschneiten Straßen und hielt neben dem Supermarkt an. Seine Lichter starrten unverwandt durch das Schaufenster. Nach einer Minute hupte der Hummer zweimal laut.
„Das ist doch wohl ein Scherz“, seufzte ich. Ich humpelte zur Tür hinaus und zu dem fahrbaren Ungetüm, das beinahe nahtlos mit Vordergrund und Hintergrund und einem Großteil der Luft verschmolz.
Das Seitenfenster auf der Fahrerseite fuhr herunter und gab den Blick auf einen jungen Mann frei, den Väter von Mädchen im Teenageralter auf der Stelle erschossen hätten. Seine Haut war blass, seine Augen waren grau. Sein dunkles, leicht gewelltes Haar war lange genug, um lässig Rebellion zu verkünden, und zu fast vollendeter Perfektion zerzaust. Er trug eine schwarze Lederjacke und ein weißes Hemd, die weit teurer waren als zwei beliebige Möbelstücke in meiner Wohnung zusammengenommen. In scharfem Kontrast dazu stach ein amateurhaft gehäkelter Schal aus dicker weißer Wolle an seinem Hals heraus, den er über dem Kragen seiner Jacke trug. Er sah geradeaus, so dass ich nur sein Profil erspähen konnte, aber ich war mir sicher, dass auf der mir abgewandten Seite ein freches Grinsen seinen Mund umspielte.
„Thomas“, sagte ich. „Ein weniger edler Mensch als ich würde dir zürnen.“
Er lachte. „Es gibt etwas Unedleres als dich?“ Beim letzten Wort rollte er mit den Augen, um die Botschaft noch wuchtiger ins Ziel zu hämmern, dann erstarrte sein Gesicht zu einem absolut nichtssagenden, unbeteiligten Ausdruck. So verharrte er für einige Sekunden. „Leere Nacht, Harry. Du siehst aus wie …“
„Fünfzehn Kilometer Buckelpiste?“
Ein gezwungenes Lächeln umspielte seine Lippen, erreichte aber seine Augen nicht. „Ich wollte sagen ‚ein Waschbär‘.“
„Meine Güte. Danke.“
„Steig ein.“
Er nahm die Schnellbahn zur andern Seite seines Hummers, um die Beifahrertür zu entriegeln. Schließlich gelangte auch ich dort an, und bei jedem Schritt meldete sich jedes noch so kleine Wehwehchen in meinem Körper – mit dem besonderen Epizentrum meiner brennenden, pulsierenden Nase. Ich warf meinen Stab auf den Rücksitz der Mutter aller Geländewagen, wobei ich fast ein unheilvolles Echo erwartete, stieg ins Auto und legte den Sicherheitsgurt an, während Thomas losfuhr. Aufmerksam spähte er in das dichte
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