Harry Dresden 10 - Kleine Gefallen: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 10 (German Edition)
der Einzige, der an sie herankommt.“
Ich schnaubte. „Dann besorgen Sie mir Proben aus dem zweiten Satz?“
„Dem zweiten Satz?“
„Sie wissen schon, den, den Sie angelegt haben. Der, von dem Marcone nichts weiß.“
Gard wischte sich eine Strähne goldenen Haars aus der Stirn. „Was veranlasst Sie zu glauben, dass ich derartige Proben besitze?“
Ich fletschte die Zähne zu einem breiten Grinsen. „Sie sind eine Söldnerin. Söldner sind meist um das eigene Wohlergehen besorgt und machen sich oft mehr Gedanken über ihre Auftraggeber als über die Feinde, die sie bekämpfen. Sie schließen Versicherungen ab, und selbst wenn Marcone keine Proben gesammelt hätte, bin ich mir doch sicher, dass Sie das getan haben.“
Für einen Augenblick huschte ihr Blick zur Tür hinüber und dann wieder zu mir zurück. „Lassen Sie uns mal für einen Augenblick annehmen, ich besäße tatsächlich so eine Sammlung“, meinte sie. „Warum in aller Welt sollte ich sie Ihnen aushändigen? Sie stehen den Geschäften meines Arbeitgebers feindselig gegenüber, und es könnte katastrophale Folgen haben, sollten Sie etwas Derartiges in die Finger bekommen.“
„Lieber Himmel, Sie haben aber Skrupel, wenn man bedenkt, welche katastrophalen Folgen seine Geschäfte jedes Jahr für Tausende von Menschen haben.“
„Ich schütze nur die Interessen meines Dienstherrn.“ Sie grinste breit. „Fast, als wäre ich eine Söldnerin.“
Ich seufzte und verschränkte die Arme. „Was, wenn ich nur die Proben Marcones und Torellis an mich nehme?“
„Dann werden Sie sie in der Zukunft immer noch gegen Marcone einsetzen können.“
„Wenn ich Marcone wirklich schaden wollte, müsste ich mich einfach nur mit einem Sechserpack Bier und Brezeln zurückzulehnen und ihn hängen lassen.“
„Vielleicht“, pflichtete mir Gard bei. „Schwören Sie mir, dass Sie nur die Proben Torellis und Marcones benutzen, keine der beiden einsetzen werden, um Schaden zu verursachen, und Sie mir auf meine Bitte hin beide sofort wieder aushändigen werden. Schwören Sie es bei Ihrer Macht.“
In der übernatürlichen Gemeinschaft waren Eide eine anerkannte Währung. Sie binden weit stärker als bloß im übertragenen Sinn. Jedesmal, wenn man ein Versprechen brach, fand eine Art Rückkopplung spiritueller Energien statt. Ein gebrochenes Versprechen konnte übernatürlichen Wesen, wie etwa den Sidhe, grässliche Qualen bereiten. Wenn ein Magier ein Versprechen brach, besonders, wenn er bei seiner eigenen Macht geschworen hatte, sah diese Rückkopplung etwas anders aus: Sie nagte an seinem magischen Talent. Es verkrüppelte einen zwar nicht sofort – doch wenn man über die Zeit genügend Schwüre brach, hatte man am Ende keinerlei Magie mehr übrig.
So gefährlich, wie die Welt für Magier in den letzten paar Jahren geworden war, wäre jeder einzelne von uns ganz schön lebensüberdrüssig gewesen, seine Fähigkeit und damit die Chance, sich zu verteidigen, aufs Spiel zu setzen, egal wie wenig man sich bei jedem Mal auch schwächte.
Ich zog die Achseln hoch und nickte. „Ich schwöre bei meiner Macht, mich an diese Einschränkungen zu halten.“
Gard verengte ihre Augen zu Schlitzen, als ich sprach, und als ich geendet hatte, nickte sie mir zu. Sie griff behutsam in ihre Tasche, zog einen einzelnen, silbernen Schlüssel hervor und gab ihn mir. „Union Station. Schließfach 214. Alles ist beschriftet.“
Ich griff nach dem Schlüssel, doch Gards Finger verkrampften sich kurz darum. „Lassen Sie nicht zu, dass etwas, das Ihnen am Herzen liegt, direkt davorsteht, wenn sie es öffnen.“
Ich zog eine Braue hoch und nahm den Schlüssel. „Wird gemacht. Danke.“
Sie bedachte mich mit einem flüchtigen, kaum auszumachenden Lächeln. „Hören Sie auf, Zeit zu vergeuden. Gehen Sie.“
Ich runzelte die Stirn. „Solche Sorgen machen Sie sich um ihren Boss?“
„Nicht im mindesten“, sagte Gard, schloss die Augen und ließ sich müde auf die Matratze sacken. „Ich will einfach nicht in der Nähe sein, wenn das nächste Mal jemand versucht, Sie umzubringen.“
22. Kapitel
M urphys Auto sah aus , als hätte es eine Kampfzone durchquert, und beängstigende Schmierer in einer seltsamen Farbe hatten den Schnee unter dem Auto durchtränkt. Daher nahmen wir Michaels Kleinlaster. Ich saß bei Michael im Führerhaus, während Mouse es sich auf der Ladefläche bequem gemacht hatte. Ja, ich weiß, nicht gerade sicher, aber es war einfach unmöglich,
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