Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
würdest du tun?“, wollte sie wissen.
„Morgan? Gegen Thomas?“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich ... verdammter Mist, dann hätten wir wirklich eine Riesenschweinerei, der Rat würde durchdrehen. Aber ...“
Aber Thomas war mein Bruder. Das sagte ich nicht, war auch nicht nötig. Murphy nickte.
Molly tauchte mit den Sachen auf, um die ich sie geschickt hatte. Das kluge Kind hatte gleich auch noch eine Schale und eine Pinzette mitgebracht. Molly goss Alkohol in die Schale und machte sich daran, die chirurgische Nadel, den Faden, das Skalpell und die Pinzette zu sterilisieren. Ihre Hände bewegten sich, als wüssten sie auch ohne nachzudenken, was sie zu tun hatten. Das hätte mich nicht überraschen dürfen: Als älteste Tochter von Michael und Charity Carpenter versorgte Molly wahrscheinlich Wunden, seit sie dazu rein körperlich in der Lage war.
„Mouse“, sagte ich zu meinem Hund, „in deinem Bein steckt eine Kugel. Weißt du, was das ist? Diese Dinger, die aus Pistolen kommen, wenn geschossen wird, und die wehtun.“
Mouse sah mich verunsichert an. Er zitterte.
Ich legte ihm die Hand auf den Kopf und zwang mich zur Gelassenheit. „Die müssen wir rausholen, sonst wird sie dich töten. Das wird sehr wehtun. Aber ich verspreche dir, dass es nicht lange dauert und dass alles wieder in Ordnung kommt. Ich passe auf dich auf. Okay?“
Mouse gab ein leises Geräusch von sich, das nur die Ungnädigen als Winseln interpretiert hätten. Er lehnte den Kopf an meine Hand, bebte und leckte mir ganz langsam einmal die Hand.
Ich lächelte ihn an und ließ den Kopf eine Sekunde lang auf seinem ruhen. „Alles wird gut. Leg dich hin, mein Junge.“
Langsam und vorsichtig streckte sich Mouse mit der verwundeten Schulter nach oben auf der Seite aus.
„Hier, Harry!“, meldete sich Molly leise und deutete auf die Instrumente.
„Du machst das.“ Ich sah sie an, mein Gesicht hart, fast versteinert.
Sie blinzelte mich verwirrt an. „Was? Aber was ich getan habe ... ich weiß noch ...“
„Ich? Ich? Ich? Mouse hat eine Kugel gefangen, die für dich bestimmt war!“ Jedes meiner Worte kam ruhig, aber klar und deutlich. „Dabei hat er nicht an sich gedacht. Er hat sein Leben riskiert, um dich zu schützen. Wenn du mein Lehrling bleiben willst, dann stellst du die Sätze ein, die mit ‚ich’ anfangen und bedankst dich bei Mouse für seinen Mut, indem du seine Schmerzen linderst.“
Molly wurde kreidebleich. „Harry ...“
Ohne sie weiter zu beachten kniete ich mich neben Mouses Kopf, drückte ihn sanft auf den Boden, fuhr mit den Händen durch sein dichtes Fell.
Verunsichert ließ mein Lehrling den Blick zwischen Murphy und mir hin und her huschen. Sergeant Murphy betrachtete die Szene mit unbewegter Bullenmiene, woraufhin Molly die Augen hastig wieder senkte. Sie starrte die eigenen Hände an, starrte auf Mouse hinunter und fing an zu weinen.
Immer noch schluchzend stand sie auf, ging an die Spüle in der Küche und stellte einen Topf Wasser auf den Herd. Sie wusch sich lange und sorgfältig die Hände sowie die Arme bis zum Ellbogen, kam mit dem Wasser, das inzwischen gekocht hatte, zurück, holte tief Luft und richtete sich bei dem verletzten Hund ein, die Instrumente neben sich.
Zuerst schnitt und rasierte sie das Fell im Umkreis der Wunde ab, wobei Mouse mehrfach zusammenzuckte und von oben bis unten zitterte. Bei jeder Bewegung, mit der der Hund seine Qual zum Ausdruck brachte, sah ich auch Molly zusammenzucken. Aber ihre Hände blieben ruhig. Sie musste das Skalpell zur Hilfe nehmen, um den Riss im Fleisch, in dem die Kugel steckte, zu erweitern. Mouse weinte, als das Messer durch sein Fleisch ging und Molly schloss die Augen – so lange, dass man langsam bis drei hätte zählen können. Dann ging sie wieder an die Arbeit, schob die Pinzette in die nicht sehr tiefe Wunde und zog die Kugel heraus. Es war ein winziges, verbogenes, längliches Teil aus glänzendem Metall, kleiner als der Nagel an meinem kleinen Finger. Mouse stöhnte, als Molly es herauszog.
Danach reinigte sie den Wundbereich erneut mit abgekochtem Wasser und einem Desinfektionsmittel, wobei Mouse immer wieder zusammenzuckte und winselte – so viele gequälte Laute hatte ich ihn noch nie von sich geben hören.
„Es tut mir leid!“ Molly musste sich dauernd Tränen aus den Augen blinzeln. „Es tut mir ja so leid.“
Die Verletzung musste mit drei Stichen genäht werden. Molly tat es, so rasch sie konnte, was weitere
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