Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
stecken?“
Gute Frage! Warum war ich nicht von allein darauf gekommen? Um ein Haar hätte ich mich selbst geohrfeigt. „Das werde ich Sie wissen lassen“, sagte ich seufzend und kletterte zurück ans Ufer.
Dämonenwind spürte mich zur selben Zeit, wie ich ihn wahrnahm, ein seltsames Gefühl der Verbundenheit, wie ein Winken zur Begrüßung. Mit nachdenklich gerunzelter Stirn sah ich mich auf der Insel um, konzentrierte mich ganz auf die Frage, wer LaFortier umgebracht hatte.
Nichts kam mir in den Sinn. Ich probierte ein paar weitere Themen durch – wer würde die nächste World Series gewinnen? Konnte ich meinen Käfer bald aus dem Polizeigewahrsam loseisen? Wie viele Bücher hatte Mister in meiner Abwesenheit vom Bücherregal befördert?
Gähnende Leere.
Also dachte ich über Hornissennester nach und wusste auf der Stelle, dass es auf der Insel zweiunddreißig davon gab und dass sie beim alten Apfelhain auf der Nordseite besonders häufig anzutreffen waren.
Zurück an Bord erstattete ich den anderen Bericht.
„Also nur auf der Insel selbst, wie jeder andere Genius loci “, brummte Morgan. „Dieser hier muss verdammt alt sein, um Intellectus erreicht zu haben. Auch wenn er sich auf den Bereich seines Gebietes beschränkt.“
„Könnte trotzdem ganz praktisch sein“, meinte ich.
Ohne die Augen zu öffnen bleckte Morgan die Zähne zu einem Wolfsgrinsen. „Gewiss! Wenn sich Ihre Gegner liebenswürdigerweise ganz bis hier raus bemühen, um Sie zu treffen.“
„Wie ich schon sagte: könnte ganz praktisch sein.“
Morgan klappte die Augen auf, zog die Brauen hoch und musterte mich scharf.
„Komm“, sagte ich zu Molly. „Mach die Leinen los. Wird Zeit, dass du lernst, mit dem Boot umzugehen.“
***
Als wir in den Jachthafen zurückkehrten, war die Sonne aufgegangen. Obwohl ich nicht gerade Horatio Hornblower war, schaffte ich es, Molly die für ein Anlegemanöver nötigen Schritte zu soufflieren und sie parkte, ohne Entscheidendes kaputt zu machen oder irgendwen zu versenken. Auf mehr kam es letztlich nicht an. Ich stieg von Bord und vertäute das Boot. Molly war mir besorgt bis an die Reling gefolgt.
„Kein Problem. Fahr ungefähr zehn Minuten mit ihr rum, egal wohin, worauf du Lust hast. Dann schalte den Motor aus und warte. Wenn ich fertig bin und du mich abholen sollst, gebe ich dir ein Zeichen.“
„Bist du sicher, dass wir nicht zusammenbleiben können?“, fragte sie furchtsam.
Ich schüttelte den Kopf. „Suchzauber lassen sich schlecht auf Dinge im Wasser richten. Außerdem kriegst du draußen auf eine Meile Abstand mit, wenn was hinter dir her ist. Buchstäblich. Bleib mit Morgan da draußen, und dir passiert schon nichts.“
„Was ist, wenn es ihm schlechter geht?“
„Streng deine Rübe an. Tu, was du für richtig hältst, damit ihr am Leben bleibt.“ Ich machte mich daran, die Leinen wieder zu lösen. „Länger als zwei Stunden dürfte ich nicht weg sein. Sollte ich mich nicht bemerkbar machen, gilt der Plan von vorhin, als ich zum Turm stieg. Mach, dass du fortkommst.“
Sie schluckte „Was ist mit Morgan?“
„Sieh zu, dass er es so bequem wie möglich hat und lass ihn zurück.“
Sie sah mich entgeistert an. „Echt?“
„Ich glaube nicht, dass du ihn schützen kannst, wenn sie mich ausgeschaltet haben.“ Ich bemühte mich um einen beiläufigen Ton. „Ich glaube auch nicht, dass du die ganz harten Jungs, die üblen Bösewichter, schaffst. Also lauf, als sei der Teufel hinter dir her, und Morgan soll sich um sich selbst kümmern.“
Ich sah förmlich, wie sie das im Geiste durcharbeitete. Dann lächelte sie.
„Wäre peinlich für ihn, unter dem Schutz eines Mädchens zu stehen, was? Eines weiblichen Lehrlings! Der noch dazu wahrscheinlich Hexerin ist?“
„Ja.“ Ich nickte.
„Allein deswegen würde es sich lohnen zu bleiben.“
„Kleines!“ Diese Sprüche machten mich nervös. „Wenn hier alles den Bach runtergeht, dann haust du, wenn du klug bist, so schnell wie möglich ab!“
„Schlau wäre das“, erklärte sie. „Aber falsch.“
Ich sah sie an. „Bist du sicher? Weil da draußen nämlich eine ganze Welt aus Schmerz nur darauf wartet, über dich herzufallen.“
Molly war inzwischen kreidebleich, nickte aber furchtlos. „Ich werde es versuchen.“
Genau das würde sie auch tun, ich konnte es an ihren Augen ablesen. Sie wusste besser als manch anderer, wie gefährlich das für sie sein würde, und sie hatte große Angst. Aber sie würde es
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