Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
schützen. Mein Gott, wenn der Kristall wirklich so eine Explosionskraft in sich birgt, wie du behauptet hast, hätte er das Monster unter Umständen ganz ohne dein Zutun erledigt.“ Er schüttelte den Kopf. „Eigentlich halte ich dich für einen Mann mit gesundem Menschenverstand. Aber das mit dem Monster war eine ganz schlechte Nummer.“
„Möglich“, antwortete ich leise.
„Von wegen möglich!“
„Er ist ein Freund.“
Ebenezar blieb stehen. „Er ist nichtdein Freund. Du magst seiner sein, aber er ist gewiss nicht deiner. Er ist ein Vampir. Wenn es hart auf hart kommt und er richtig heißhungrig ist, frisst er dich, so ist das nun mal.“ Er deutete auf den Wald, durch den wir gingen. „Nach der Schlacht haben wir die Überreste der Kusine dieser Raith-Kreatur gefunden. Ich nehme mal an, du hast mitangesehen, was dieses Weib mit einer aus ihrer eigenen Familie angestellt hat?“
„Ja“, gab ich beschämt zu.
„Mit jemandem aus der eigenen Familie!“Er schüttelte den Kopf. „Freundschaft bedeutet diesen Wesen nichts. Sie lügen gut, sie lügen sogar so perfekt, dass sie manchmal die eigenen Lügen glauben. Aber wenn es hart auf hart kommt, fühlt man sich nicht als Freund der eigenen Nahrung, Harry, und das sind wir für Vampire: Nahrung. Ich bin schon eine ganze Weile auf dieser Welt, Harry, und ich kann dir eins sagen: Es liegt in ihrer Natur. Früher oder später gewinnt die die Überhand.“
„Thomas ist anders“, widersprach ich.
Er beäugte mich ein wenig misstrauisch. „Ach ja?“ Kopfschüttelnd setzte er sich wieder in Gang. „Wieso fragst du deinen Lehrling dann nicht, warum sie sich veranlasst sah, ihren Schleier fallen zu lassen und den Schild aufzurichten?“
Ich setzte mich ebenfalls wieder in Bewegung.
Ohne noch etwas zu sagen.
***
Zur Geisterstunde langten wir wieder in Chicago an.
Im Hafen erwarteten uns die ehrwürdige Mai und die Wächter, um gemeinsam mit Indianerjoe, Ebenezar und Morgan nach Edinburgh weiterzureisen. Alle zusammen, für den Fall, dass es „Probleme“ geben sollte. Ungefähr drei Minuten, nachdem ich die Wasserkäfer am Anleger festgemacht hatte, war die Gruppe auch schon aufgebrochen.
Ich schlürfte Wasser durch einen Strohhalm, während ich ihnen nachsah. Lauscht-dem-Wind hatte meine Verletzungen gesäubert und ein paar von ihnen genäht, unter anderem hielten zwei Stiche einen Riss in meiner Unterlippe zusammen. Auf dem verletzten Auge würde ich wieder sehen können, hatte man mir versichert, und Indianerjoe hatte eine Salbe darauf gestrichen, die aussah wie Möwenkot, aber roch wie Honig. Dazu kam noch ein Verband über der rechten Gesichtshälfte und einmal um den Kopf herum, womit ich als sicherer Kandidat für den ersten internationalen Wettbewerb wandelnder Volltrottel gelten durfte. Ach ja: nicht zu vergessen der alte Verband, den ich trug, weil mir der Skinwalker hatte den Schädel einschlagen wollen. Er ließ mich aussehen wie ein Patient nach eben überstandener OP am offenen Schädel, nur hässlicher. Sie bekommen so ungefähr ein Bild?
Will und Georgia schliefen auf einer aufblasbaren Matratze auf dem Achterdeck der Wasserkäfer ihren Rausch aus, sorgsam mit einem Schlafsack zugedeckt. Ich kletterte vom Boot und ging den Anleger hinunter zu einem Mercedes, der unweit unseres Liegeplatzes auf mich wartete.
Vince rollte das Fenster herunter und musterte mich mit zusammengekniffenen Augen. „Haben Sie alle verflucht, die Ihre Ruhestätte entweiht haben, oder nur die englisch Sprechenden?“
„Nach dem Spruch ist Ihr Trinkgeld dahin, das ist Ihnen schon klar!“, brummte ich. „Haben Sie die Sache gekriegt?“Er überreichte mir kommentarlos einen braunen Umschlag, bevor er die Beifahrertür seines Wagens öffnete und Mouse rausließ. Mein Hund kam schwanzwedelnd um das Auto gesprungen und begrüßte mich freudig. Ich kniete mich hin und nahm das große Tier ganz fest in die Arme.
„Ihr Hund ist komisch“, meinte Vince.
Mouse schleckte mir das Gesicht ab. „Aber klar. Was wollen Sie dagegen machen?“
Vince grinste, wobei er eine Sekunde lang gar nicht mehr so unscheinbar aussah: Der Mann hatte ein Lächeln, das mit einem Schlag das Klima eines ganzen Zimmers zu ändern imstande war. Ich stand auf und nickte ihm zu. „Sie wissen ja, wohin Sie die Rechnung schicken können.“
„Aber immer!“, sagte er und fuhr davon.
Auf dem Boot schenkte ich mir etwas Cola in meine inzwischen leere Wasserflasche und sog vorsichtig
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