Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
am Strohhalm. Jetzt bloß keine Stiche aufreißen, sonst würde ich nur wieder bluten, und ich war viel zu müde, um irgendwas sauberzumachen.
Molly puzzelte noch etwas am Boot herum, sah nach, ob es auch sicher vertäut war, holte frische Shorts und T-Shirts aus dem winzigen Schrank in der Kajüte und legte sie so bereit, dass Will und Georgia sie beim Aufwachen finden würden. Endlich war sie soweit und setzte sich mir gegenüber auf die zweite Koje.
„Der Schild“, flüsterte ich. „Wann hast du ihn benutzt?“
Molly schluckte. „Der Skin... das Wesen warf Thomas in die Hütte, und er war ...“ Die Erinnerung ließ sie zittern. „Er hatte sich verändert, er war nicht mehr er selbst.“ Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. „Er hat sich aufgesetzt und in der Luft herumgeschnüffelt wie ein hungriger Wolf, und sein Körper ...“ Sie lief rot an. „Er hatte einen Ständer, Harry, und dann machte er etwas, und plötzlich wollte ich mir nur noch die Klamotten vom Leib reißen. Da wusste ich, dass er seinen Hunger nicht mehr unter Kontrolle hatte. Ich wusste, er würde mich töten. Aber ich wollte ihn trotzdem! Es war so intensiv .“
„Also hast du den Schild hochgefahren.“
Sie schluckte. „Ich glaube, wenn ich ein bisschen länger gewartet hätte, hätte ich noch nicht mal mehr dran gedacht. Dann wäre ich nicht mal mehr in der Lage gewesen, daran zu denken.“ Sie warf mir einen Blick zu, den sie sofort wieder senkte. „Er war so verändert. Das war nicht mehr er.“
„Ich habe nichts übriggelassen. Du hast keine Worte für die Dinge, die ich ihm angetan habe“, hatte der Skinwalker gesagt.
Thomas.
Ich stellte meine Wasserflasche beiseite und faltete die Hände über dem Bauch. „Kind, du hast genau das Richtige getan.“
Sie schenkte mir ein müdes Lächeln. Eine Weile lang senkte sich ungemütliches Schweigen über uns. Molly schien nach etwas zu suchen, was sie sagen konnte. „Morgen stellen sie Morgan also vor Gericht“, flüsterte sie schließlich. „Ich habe gehört, wie Mai das gesagt hat.“
„Ja“, sagte ich.
„Sie erwarten, dass wir dann da sind.“
„Das werden wir!“, sagte ich. „Wir werden auf jeden Fall da sein.“
„Harry? Wir sind gescheitert. Ein Unschuldiger wird sterben. Der Killer läuft immer noch frei herum. Diese große Schlacht hat stattgefunden, ohne dass etwas dabei herausgekommen wäre.“
Ich grinste sie an, während ich ganz langsam den Umschlag öffnete, den Vince mir gegeben hatte.
„Was ist das?“
„Fotos aus einer Überwachungskamera!“, sagte ich vergnügt. „Mit einem Teleobjektiv geschossen, aus einem Straßenblock Entfernung!“
Molly verstand sichtlich nur Bahnhof. „Was?“
„Ich habe Vince angeheuert, um ein paar Fotos zu schießen. Eigentlich hat Murphy ihn angeheuert, weil ich Angst hatte, mein Telefon ist verwanzt, aber die Rechnung geht an mich. Also bin ich auch der Auftraggeber.“
„Bilder? Was für Bilder?“
„Vom Weg von Chicago nach Edinburgh“, sagte ich. „Vom Portal hinter der alten Fleischfabrik. Ich habe Vince jeden fotografieren lassen, der da durchgekommen ist, seit ich Edinburgh über das Treffen auf der Insel informiert hatte.“
Molly runzelte die Stirn. „Aber warum?“
„Ich hatte niemandem Zeit zum Nachdenken gelassen“, sagte ich. „Ich war mir ziemlich sicher, dass der Mörder in Edinburgh war, also habe ich dafür gesorgt, dass er – oder auch sie – nach Chicago kommt und dass ihm die Zeit fehlt, sich eine Alternativroute zu suchen.“
Ich zog die Bilder aus dem Umschlag. Vince hatte vorzügliche Arbeit geleistet, die Fotos waren gestochen scharf, man hätte sie einem Porträtmaler als Arbeitsgrundlage übergeben können – für eine Identifizierung erstklassig geeignet. McCoy, Mai, Lauscht-dem-Wind, Bjorgunnarson, die anderen Wächter – sie alle waren abgebildet, als Gruppe à la Der Stoff, aus dem die Helden sind und jeweils einzeln mit einer Großaufnahme des Gesichts. „Ich habe dafür gesorgt, dass Vince und Mouse den einzig schnellen Weg von Schottland nach Chicago überwachten.“
Während ich mir die Bilder ansah, hatte Molly noch an der Logik meiner Ausführungen zu knabbern. „Dann war also dieses ganze Szenario ... dieses Treffen, die Schlacht ... das war alles nur ein Trick?“
„Karl der Kojote“, sagte ich weise. „Das Supergenie.“
Molly schüttelte den Kopf. „Aber ... das hast du niemandem gesagt?“
„Niemandem. Wie auch? Musste doch gut
Weitere Kostenlose Bücher