Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
sie aufstand, immer noch Hand in Hand mit Thomas, zwei Körper im Gleichklang.
Aus Madeline Raiths wunderschönem Gesicht war eine Wüstenlandschaft aus Brandwunden entstanden, wobei der Abdruck von Justines weichen Lippen auf der blassen Haut der Stirn als perfektes schwarzes Brandmahl zu sehen war. Immer noch von den Stäbchen gehalten lag die Vampirin auf dem Tisch, zitterte und zuckte, keuchend und atemlos vor Schmerz.
Thomas und Justine schritten Hand in Hand zur Treppe, die von unserer Plattform aus nach unten führte. Ich folgte den beiden.
Als sie an einem Luftschacht der Klimaanlage vorbeikamen, wehte die kalte Luft ein paar Strähnen von Justines Haar gegen die nackte Brust und die nackten Arme meines Bruders. Sofort entstanden dort kleine, rot leuchtende Kratzer. Thomas zuckte nicht einmal mit der Wimper.
Ich schloss zu den beiden auf und reichte Justine die beiden Kugelschreiber, die ich in meiner Manteltasche gefunden hatte. Sie nickte mir dankend zu und steckte ihr Haar wieder hoch oben auf dem Kopf fest. Währenddessen warf ich einen Blick über meine Schulter.
Madeline Raith lag hilflos und keuchend auf dem Tisch, aber in ihren Augen loderte der blanke Hass.
Thomas zog sich sein T-Shirt über, das er sich in eine der Gürtelschlaufen seiner Jeans gesteckt hatte. Dann schob er seinen Arm wieder unter den Justines und zog sie an seine Brust, hielt sie eng an sich gedrückt.
„Ist es in Ordnung, wenn wir dich jetzt allein lassen?“, fragte er leise.
Justine nickte mit geschlossenen Augen. „Ich werde das Haus anrufen. Lara schickt jemanden für sie.“
„Wenn ihr sie da liegen lasst, gibt es Ärger“, sagte ich zu Thomas.
Er zuckte die Achseln. „Vernichten konnte ich sie nicht, damit wäre ich nicht durchgekommen. Aber was das Wildern betrifft, sind unsere Hausregeln ziemlich streng.“ Etwas Brennendes, Hartes trat in seinen Blick. „Justine gehört mir. Das musste ich Madeline zeigen. Sie hatte es verdient.“
Wir gingen alle zusammen die Treppe hinunter. Ich war heilfroh, das Zero verlassen zu dürfen.
„Aber wenn ich sie so sehe“, sagte ich, „Madeline, meine ich, dann glaube ich fast, da ist jemand einen Tick zu weit gegangen. Sie könnte einem schon leid tun.“
Thomas zog eine Braue hoch und warf mir über die Schulter einen Blick zu. „Sie tut dir leid?“
„Ja!“ Ich schürzte gedankenvoll die Lippen. „Den Spruch mit Jessica Rabbit hätte ich mir verkneifen sollen.“
10. Kapitel
D raußen vor dem Zero kam mir die heiße Sommernacht um zehn Grad kälter und millionenfach sauberer vor als das, was wir hinter uns gelassen hatten. Thomas suchte sich einen Schattenplatz zwischen zwei Straßenlaternen, wo er sich mit den Schultern an eine Hauswand lehnte und ein, zwei Minuten mit gesenktem Kopf einfach nur dastand.
Ich wartete. Nachzufragen brauchte ich nicht, ich wusste auch so, was Thomas fehlte. Der Zusammenstoß mit Madeline, das Ausmaß der ihr gegenüber zur Schau gestellten Kraft und Macht hatten ihm eine Menge Energie geraubt. Energie, die sich andere Vampire wiederbeschafften, indem sie sich ein Opfer zum Nähren suchten, so wie es Madeline bei dem armen Trottel auf der Treppe getan hatte. Die Ereignisse im Zero hatten Thomas nicht aufgewühlt. Er war ganz einfach hungrig.
Thomas führte schon seit langem einen sehr komplizierten, schwierigen Kampf gegen den eigenen Hunger, bei dem er noch nicht einmal genau wusste, ob er ihn erfolgreich würde durchhalten können. Aber er gab nicht auf, weswegen er beim Rest der Familie Raith als geisteskrank galt.
Ich aber konnte ihn gut verstehen.
Als er nach einer Weile wieder Notiz von mir nahm, waren seine Gesichtszüge kühl, distanziert und unberührbar.
Seite an Seite machten wir uns auf den Weg zu seinem Auto.
„Kann ich mal eine Frage stellen?“, wandte ich mich an ihn.
Thomas nickte.
„Die vom Weißen Hof verbrennen sich nur, wenn sie sich von jemandem nähren wollen, der von wahrer Liebe berührt ist, habe ich das richtig verstanden?“
„So einfach ist das nicht“, sagte Thomas leise. „Es hat viel damit zu tun, wie sehr der Hunger dich im Griff hat, wenn du jemanden berührst.“
Ich schnaubte. „Aber wenn sie sich nähren, hat doch immer der Hunger die Überhand.“
Thomas nickte langsam.
„Warum hat Madeline es dann bei Justine versucht? Sie musste doch wissen, dass sie sich dabei verletzt.“
„Weil es ihr in der Beziehung so geht wie mir“, antwortete Thomas. „Es ist ein reiner
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