Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
doch bereits verhaftet“, sagte ich. „Wie konnte er denn abhauen?“
Luccio schenkte mir ein schmallippiges Lächeln. „Ganz sicher wissen wir das nicht. Ihm ist wohl etwas eingefallen, woran wir nicht gedacht hatten. Bei seinem Abgang hat er übrigens drei Wächter ins Krankenhaus befördert.“
„Aber du glaubst nicht, dass er zu Recht verdächtigt wird.“
Anastasia runzelte die Stirn. „Nur weil wir alle Angst haben, werde ich mich nicht gegen einen Mann aufbringen lassen, den ich kenne und dem ich traue. Da weigere ich mich entschieden. Aber was ich glaube, spielt keine Rolle. Die Beweise gegen ihn reichen für eine Verurteilung und die Todesstrafe.“
„Was für Beweise?“, hakte ich nach.
„Außer der Tatsache, dass er über LaFortiers Leiche gebeugt stand, als man ihn fand? In der Hand das sprichwörtliche blutige Messer?“
„Ja“, sagte ich.
Sie fuhr sich mit allen zehn Fingern durch die Locken. „Die Informationen, die der Rote Hof in die Finger bekommen hat, waren nur einer sehr kleinen Gruppe Verdächtiger zugänglich, zu denen er zählt. Wir haben Telefonunterlagen, die ihm regelmäßigen Kontakt zu einem Agenten des Roten Hofs nachweisen. Wir haben ein Offshore-Konto gefunden, das ihm gehört und auf dem vor kurzem mehrere Millionen Dollar eingingen.“
Ich schnaubte verächtlich. „Ja, so ist er. Morgan der Söldner, nichts als Dollarzeichen in den Augen.“
„Ich weiß!“, sagte Anastasia. „Das meinte ich ja: Die Angst trübt das Urteilsvermögen unserer Leute. Wir wissen, dass der Rote Hof wieder gegen uns mobil machen wird. Wir wissen auch, dass der erste Schlag in einer solchen Konfrontation tödlich sein kann, wenn wir nicht den Verräter ausschalten. Der Merlin ist verzweifelt.“
„Nicht nur der Merlin!“ Ich rieb mir seufzend die Augen.
Anastasia strich mir über den Arm. „Ich fand, du hättest ein Recht, das zu erfahren“, sagte sie. „Tut mir leid, dass ich nicht schon früher kommen konnte.“
Ich drückte sanft ihre Hand. „Danke.“
„Du siehst fürchterlich aus.“
„Du machst entzückende Komplimente.“
Sie legte mir die Hand an die Wange. „Ich muss erst in ein paar Stunden zum Dienst. Was hältst du von einer Flasche Wein und einer Massage?“
Anastasias Massagen! Beim bloßen Gedanken daran konnte ich ein wohliges Stöhnen gerade noch unterdrücken. Sie wusste einfach alles darüber, wie man dem schmerzenden Körper eines Mannes gnadenlos Freude spendete – aber ich konnte sie ja wohl schlecht in meine Wohnung bitten. Wenn sie das mit Morgan spitzbekam und falls er wirklich vorhatte, mich gemeinsam mit sich selbst den Wächtern ans Messer zu liefern, dann konnte ihr Kopf erschreckend schnell neben denen von Morgan und mir auf dem Boden landen.
„Ich kann nicht“, sagte ich. „Ich muss noch ins Krankenhaus.“
Sie runzelte die Stirn. „Ach, ja?“
„Ein Skinwalker hatte meine Spur aufgenommen, als ich heute bei Billy und Georgia war. Kirby ist tot, und Andi liegt schwer verletzt im Krankenhaus.“
Sie sog vernehmlich die Luft ein. „Dio, Harry, das tut mir sehr leid!“
Ich zuckte die Achseln, Tränen traten mir in die Augen. Das mit der Klinik, wurde mir klar, war keine bloße Ausrede, um Anastasia von meiner Wohnung fernzuhalten. Kirby war kein Blutsbruder von mir gewesen oder so, aber doch ein Freund, ein Teil meines Lebens, und jetzt war er tot.
„Kann ich irgendetwas tun?“, wollte Anastasia wissen.
Ich schüttelte den Kopf, aber dann fiel mir etwas ein. „Eigentlich doch.“
„Schön!“
„Finde heraus, was du über Skinwalker in Erfahrung bringen kannst. Den von vorhin werde ich nämlich umbringen.“
„Gut.“ Anastasia nickte.
„Wie sieht es umgekehrt aus?“, fragte ich. „Kann ich in der Zwischenzeit etwas für dich tun?“
„Für mich nicht. Aber Morgan kann sämtliche Hilfe gebrauchen, die er kriegen kann.“
„Aber klar doch!“, meinte ich. „Als würde ich Morgan helfen.“
Sie hob abwehrend die Hände. „Weiß ich! Aber ich selbst kann so wenig tun. Alle wissen, dass er mein Lehrling war, und ich stehe von daher unter Beobachtung. Sobald ich ihn offen zu unterstützen versuche, suspendieren sie mich vom Dienst – wenn ich Glück habe. Wenn nicht ...“
„So eine Rechtsprechung, die sich gar nicht erst mit Firlefanz wie Fakten abgibt, ist doch immer wieder was Schönes!“
„Harry?“, insistierte sie. „Was, wenn er unschuldig ist?“
Ich zuckte die Achseln. „Wie ich all die Jahre?
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