Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
ich.
„Warum hast du mich nicht auf dem Mobiltelefon angerufen? Ich hätte doch auch gleich kommen können.“
„Ich musste schlafen. Heute Morgen war früh genug.“
„Etwas Ähnliches hatte ich mir schon gedacht.“ Murphy brachte eine Papiertüte zum Vorschein, die sie hinter dem Rücken versteckt hatte und nun auf dem Couchtisch ablegte.
Neugierig warf ich einen Blick hinein: Kaffee und Donuts.
„Ihr Bullenmädels seid doch einfach süß!“ Dankbar schob ich ihr Peabodys Akte rüber, stopfte mir den Mund voll und goss Kaffee hinterher.
Murphy sah sich die Akte an. „Was ist das?“, wollte sie wissen.
„Ein Fallbericht – Wächtersache, und du hast sie nie gesehen.“
„Es geschehen noch Zeichen und Wunder“, sagte sie, leicht verwirrt. „Warum habe ich sie nie gesehen?“
„Weil da alles drinsteht, was der Rat über den Tod von LaFortier zusammengetragen hat“, sagte ich. „Ich hoffe, irgendein Detail da drin führt mich auf die Spur des eigentlichen Täters. Vier Augen sehen mehr als zwei.“
„Verstanden.“ Murphy zog Block und Kuli aus ihrer Hüfttasche und legte beides so zurecht, dass sie bequem drankam. „Wonach suche ich?“
„Nach allem, was hervorsticht.“
Sie hielt gleich die erste Seite hoch. „Da hätten wir schon etwas“, meinte sie trocken. „Das Opfer war zweihundertneunundsiebzig Jahre alt.“
Ich seufzte. „Widersprüche, Murph! Halt einfach Ausschau nach Widersprüchen, ja?“
„Ach so!“, bemerkte sie weise.
Aber dann waren wir beide still und konzentrierten uns auf die Dokumente im Ordner.
Morgan hatte mir nichts verschwiegen. Ein paar Tage zuvor hatte eine Wächterin, die in Edinburgh Dienst tat, Lärm aus LaFortiers Gemächern gehört. Sie hatte Verstärkung herbeigerufen, und als sie und der Kollege in die Gemächer stürmten, fanden sie Morgan mit der Mordwaffe in der Hand über LaFortiers noch warme Leiche gebeugt. Er erklärte, verwirrt zu sein und nicht zu wissen, was geschehen war. Nachforschungen ergaben, dass LaFortiers Wunden von der Waffe in Morgans Hand stammten, das Blut an der Waffe war das des Toten. Daraufhin hatte man Morgan verhaftet und umgehend eine weitreichende Untersuchung eingeleitet, im Zuge derer ein verdecktes Bankkonto aufgetaucht war, auf das jemand gerade bar eine verdammt hohe Summe eingezahlt hatte. Mit dieser Tatsache konfrontiert gelang es Morgan zu entfliehen, wobei er drei Wächter schwer verwundete.
„Darf ich dir eine Frage stellen?“, wollte Murphy wissen.
„Klar.“
„Als Magier beherrscht man doch diesen Todesfluch, oder? Das ist doch einer der Gründe, weswegen Leute sich scheuen, einen von euch umzubringen.“
„Mhm“, sagte ich. „Mit so einem Todesfluch kann man seinem Mörder schon beträchtlichen Schaden zufügen. Damit das klappt, muss man bloß bereit sein, sich selbst zu töten.“
Sie nickte. „Geht das so von jetzt auf gleich?“
Ich dachte nach. „Nein, eigentlich nicht.“
„Wie lange braucht man dazu? Minuten? Sekunden?“
„Ungefähr so lange, wie man braucht, eine Knarre zu ziehen und jemanden umzupusten. Manche sind da schneller, andere langsamer.“
„Ein bis drei Sekunden also?“
„Ja, kann man so sagen.“
„Leidet Morgan unter LaFortiers Todesfluch?“
Ich hob eine Braue. „Schwer zu sagen. Die Wirkung erfolgt nicht immer umgehend.“
„Wenn du raten müsstest?“
Ich leerte meinen Kaffeebecher. „LaFortier war Mitglied des Ältestenrats. Da kommt nur rein, wer ernstlich was auf dem Kasten hat. Der Todesfluch so einer Person kann einen ganzen Häuserblock zum Schmelzen bringen. Wenn ich raten soll, dann hat LaFortier keinen Todesfluch ausgestoßen.“
„Warum nicht?“
Ich dachte nach.
„Zeit genug hatte er“, sagte Murphy, „und es hat ja auch offensichtlich ein Kampf stattgefunden. Die Arme des Opfers sind voller Abwehrverletzungen, und LaFortier ist verblutet. Gut, das dauert auch nicht ewig, aber Zeit genug für diese Fluch-Geschichte bleibt allemal.“
„Apropos“, sinnierte ich, „wieso hat keiner der beiden Magie eingesetzt? Der Kampf wurde rein körperlich ausgetragen.“
„Könnte es sein, dass die beiden einander magisch schachmatt gesetzt haben, weil sie gleich stark waren?“
„Rein theoretisch ginge das. Aber per Zufall geschieht das nicht oft. Dazu gehört ein erhebliches Maß an Synchronisation.“
„Da hätten wir ja schon mal was“, sagte Murphy zufrieden. „Beide Männer entschieden sich entweder gegen Magie oder waren
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