Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)

brennt nichts, wollen wir hoffen, dass auch sonst noch nichts verloren ist und wir uns ranschleichen können, bis wir wissen, was Sache ist.“
    „Hast du es immer noch mit Revolvern?“ Murphy schüttelte missbilligend den Kopf, fuhr an der Straße vorbei, die zum Lagerhaus führte und lenkte ihr Auto erst einen Block später an den Straßenrand. „Wann schaffst du dir endlich eine anständige Knarre an?“
    „Bloß weil du doppelt so viele Kugeln im Lauf hast wie ich ...“
    „Dreimal so viele! In die SIG gehen zwanzig.“
    „Echt? Trotzdem, die Sache ist die ...“
    „Sie lässt sich auch viel schneller nachladen. Du hast Patronen lose in der Tasche, oder? Kein Schnellader?“
    Ich verstaute meine Knarre wieder in der Tasche und achtete darauf, dass keine Patronen rausfielen, als wir aus dem Auto kletterten. „Darum geht es nicht.“
    „Verdammt, Dresden!“ Murphy schüttelte schon wieder den Kopf.
    „Der Revolver lässt mich nicht im Stich“, beharrte ich, schon auf dem Weg zum Lagerhaus. „Ich habe persönlich miterlebt, wie Automatikwaffen klemmten.“
    „Neue?“
    „Na ja ...“
    Murphy hatte die eigene Waffe in die Tasche ihrer kurzen Sportjacke gesteckt. „Es ist immer gut, verschiedene Optionen zu haben. Mehr wollte ich gar nicht sagen.“
    „Wenn ein Revolver für Indiana Jones gut genug war, dann ist er auch gut genug für uns.“
    „Indiana Jones ist eine Romanfigur, Harry!” Murphy grinste verschmitzt. „Außerdem hatte er eine Peitsche.“
    Ich sah sie an.
    Ihre Augen funkelten. „Was denn? Hast du auch eine Peitsche?“
    Mein Blick wurde womöglich noch misstrauischer. „Murphy, willst du mich etwa anbaggern?“
    Sie lachte gerade, die Zähne sehr weiß und kräftig, als wir um eine Ecke bogen und auf den Kleinbus stießen, den Thomas gegenüber vom Lagerhaus abgestellt hatte.
    Daneben standen auf dem Bürgersteig zwei Männer in lässiger Haltung in der Morgensonne. Sie trugen fast identische graue Anzüge.
    Falsch: nicht fast identisch. Ein zweiter Blick enthüllte, dass die Kleidungsstücke vollkommen gleich waren. Das galt auch für die grauen Hüte, die die Männer trugen.
    „FBI?“, erkundigte ich mich leise bei Murphy.
    „Nicht mal die FBI-Typen kaufen alle im gleichen Laden ein“, sagte sie leise. „Irgendwie kriege ich ein echt übles Gefühl.“
    Ich warf einen prüfenden Blick auf das Lagerhaus hinter seinem drei Meter hohen, schwarzen Metallzaun.
    Dort gingen zwei weitere graugekleidete Männer durch eine der Passagen zwischen den Lagereinheiten. Zwei weitere Paare befanden sich in der nächsten Reihe, noch zwei weitere in der übernächsten.
    „Da drin im Ganzen also zwölf“, raunte mir Murphy zu, die sich noch nicht einmal zum Lagerhaus umgedreht hatte. Cops hatten Sensoren, was Observationen betrifft. „Alle im selben Anzug.“
    „Die sind eindeutig nicht von hier“, sagte ich. „Wenn Wesen aus dem Niemalsland irgendwo nicht auffallen wollen, suchen sie sich oft einen einzigen Look aus und bleiben dabei.“ Ich dachte nach. „Wenn sie sich alle für denselben Look entschieden haben, könnte das heißen, sie haben mit Individualität nicht viel am Hut.“
    „Man geht mit einem von denen aus, und den Rest kennt man dann schon und kann ihn sich schenken?“
    „Nein“, sagte ich ernst. „Mehr in die Richtung: Um einen Selbsterhaltungstrieb zu entwickeln, braucht man ein Gefühl für das eigene Ich.“
    Murphy atmete hörbar aus. „Na fabelhaft.“ Ihre Hand rückte zur linken Jackentasche vor, wo sie, wie ich wusste, ihr Mobiltelefon aufbewahrte. „Dann sollten wir die Truppen auf unserer Seite wohl mal ein bisschen verstärken.“
    „Das könnte die anderen allerdings erst recht in Rage bringen“, sagte ich. „Ich wollte dir bloß raten, jetzt nicht sentimental zu werden und auf Knie zu zielen, wenn der Tanz losgeht.“
    „Du siehst zu viele Filme, Harry. Wenn ein Bulle abdrückt, dann um jemanden umzulegen. Die Kunstschützennummer überlassen wir den Scharfschützen aus den Spezialeinheiten und Indiana Jones.“
    Ich musterte das Häuschen neben dem Eingang zur Lagerhausanlage. Dort hielt sich normalerweise ein Angestellter auf, doch jetzt war es leer – auch in der unmittelbaren Umgebung war niemand zu sehen.
    „Wo ist dein Ding?“, fragte Murphy.
    Ich ließ meine Brauen hüpfen. „Wo es immer war, Püppchen.“
    Sie machte ein würgendes Geräusch, das klang, als müsse sie gleich kotzen.
    „Erste Reihe nach dem Mittelgang“, sagte ich,