Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
Tintenfass und Füllfederhalter. Überall schien Papierkramanarchie zu drohen, wurde aber, unübersehbar, von einem starken Willen streng in Schach gehalten.
Lara Raith, de facto Herrscherin des Weißes Hofes, saß hinter ihrem Schreibtisch. Sie trug ein seidenes Ensemble in reinstem Weiß, so geschnitten, dass es sich eng an die makellosen Linien ihres Körpers schmiegte und ihre Figur elegant zur Geltung brachte. Das Weiß des Anzugs bildete einen scharfen Kontrast zu Laras langem, blauschwarzem Haar, das ihr in dichten Wellen bis über die Schultern hing. Ihre Physiognomie strahlte die klassische, unsterbliche Anmut griechischer Statuen aus: reine Schönheit gepaart mit Stärke, Intelligenz und scharfer Beobachtungsgabe. Die Augen waren grau, ein warmes, tiefes Grau, umstanden von dichten, rabenschwarzen Wimpern, und beim Anblick ihres vollen, weichen Mundes kribbelte es in meinen Lippen, die sich innig wünschten, denen von Lara vorgestellt zu werden.
„Wächter Dresden“, flüsterte die Herrscherin des Weißen Hofs mit einer Stimme, die reine Musik war. „Wächterin Luccio. Bitte nehmen Sie doch Platz.“
Ich musste Anastasia noch nicht einmal ansehen, um zu wissen, dass sie genauso wenig wie ich dieser Einladung folgen würde. Wir standen beide da, unsere Stäbe in der Hand, und musterten Lara schweigend.
Die ließ sich in ihren Stuhl zurückfallen. Ein bösartiges Lächeln umspielte den schönen Mund, ohne es bis in ihre Augen zu schaffen. „Verstehe. Sie wollen mich einschüchtern. Verraten Sie mir auch, warum, oder muss ich raten?“
„Ach, spielen Sie doch bloß nicht die niedliche Kleine, Lara“, sagte ich. „Ihre Anwältin hat einen Privatdetektiv angeheuert, um mir nachzuspionieren und ihr zu berichten, wo ich hingehe und was ich so treibe. Seitdem taucht jedes Mal, wenn ich mich umdrehe, irgendetwas Hässliches auf und versucht, mich platt zu machen.“
Laras Lächeln verrutschte keinen Millimeter. „Anwältin?“
„Ich habe einen Blick in ihren Kopf geworfen“, sagte ich. „Voller Spuren des Weißen Hofs. Unter anderem der Zwang, nicht zu sagen, für wen sie arbeitet.“
„Ach, und nun glauben Sie, das war mein Werk?“, fragte sie.
„In dieser Gegend? Warum nicht?“
„Ich bin ja wohl kaum das einzige Mitglied des Weißen Hofes in dieser Gegend, Dresden.“ Lara lächelte immer noch. „Auch wenn es mir schmeichelt, dass Sie eine so hohe Meinung von mir haben: Die anderen meiner Art lieben mich nicht so, dass sie jedes Mal nachfragen, ehe sie etwas unternehmen.“
„Aber ohne Ihre Zustimmung würden die anderen den Weißen Hof bestimmt nicht in solche Geschäfte verwickeln“, mischte sich Anastasia ebenfalls lächelnd ein. „Wenn doch, dann wäre das wohl als Kampfansage an Sie zu verstehen – als Infragestellung der Autorität des weißen Königs.“
Lara ließ ihre forschenden grauen Augen einen Moment lang nachdenklich auf Luccio ruhen. „Oberbefehlshaberin Luccio“, sagte sie, „ich sah Sie in Neapel tanzen.“
Anastasia runzelte die Stirn.
„Lassen Sie mich überlegen“, fuhr Lara fort. „Wie lange mag das her sein? Zweihundert Jahre, vielleicht die eine oder andere Dekade mehr oder weniger? Sie hatten viel Talent. Zugegeben – das war vor Ihrer, wie soll ich sagen? Momentanen Verfassung.“
„Ms. Raith“, sagte Anastasia, „für das, was wir zu besprechen haben, ist dies wohl kaum von Bedeutung.“
„Aber es könnte bedeutsam werden“, flüsterte Lara. „Wir gingen damals nach der Veranstaltung auf dasselbe Fest. Ich weiß von den Leidenschaften, denen Sie sich früher gern hingaben.“ Ihre Lippen verzogen sich zu einem hungrigen Lächeln, und mich überkam urplötzlich so heftiges sexuelles Begehren, dass ich mich zusammenreißen musste, sonst hätten die Beine unter mir nachgegeben. „Vielleicht möchten Sie die alten Zeiten gern wiederauferstehen lassen“, schnurrte Lara.
Dann, so einfach und schnell, wie es gekommen war, war von dem sexuellen Begehren nichts mehr zu spüren.
Anastasia holte langsam und tief Luft. „Ich bin zu alt für solche Spielchen, ich finde sie nicht mehr witzig, Ms. Raith“, erklärte sie ruhig, „und ich bin zu intelligent, um zu glauben, dass Sie von den momentanen Geschehnissen in Chicago nichts ahnen.“
Ich brauchte ein bisschen länger, um meinen Verstand aus den Regionen zurückzuholen, in die Lara ihn geschickt hatte, aber irgendwann hatte ich es dann auch geschafft. „Wir wissen, dass Sie mit jemandem
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