Harry Dresden 14 - Eiskalt: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 14 (German Edition)
die Leute früh, und wenn man die Warnung hörte, suchte man den sichersten Ort auf, den man schnell erreichen konnte. Das waren normalerweise das Souterrain oder der Keller. Manchmal war er unter einer Treppe. Manchmal ein innenliegendes Badezimmer. Manchmal war das Beste, worauf man hoffen konnte, der tiefste Graben, den man fand.
Aber im Grunde bedeutete das alles: Lauf und versteck dich.
Jahre des Lebens im Mittleren Westen schrien mir zu, genau das zu tun. Mein Herzschlag beschleunigte sich, und mein Mund wurde trocken, während die Wolken über mir – und wenn ich über mir sage, meine ich direkt über mir – sich immer schneller drehten.
Vögel flogen aus dem gesamten magischen Gehölz gen Himmel auf, schlossen sich den Sperlingen in ihrem wilden Kreisen an. Die Luft wurde plötzlich verdichtet, und der Nieselregen hörte auf, als hätte man einen Wasserhahn abgedreht. Blitze ohne Donner flackerten bizarr durch die Wolken, die in jeden Farbton von Weiß und Blau und Seegrün wechselten, während der Wasserdampf das Licht in eine sichtbare Skala umwandelte.
Dann spürte ich es – eine Wärme wie die Lilys, nur hundertmal wärmer, reiner und intensiver. Die Wolken begannen, sich zu senken, und die rasenden Vögel verengten ihren Kreis, bis sie eine Wand aus glänzenden Federn und funkelnden Augen rund um die Lichtung bildeten. Dann blitzte Licht, ein Donnerschlag, der eigenartig musikalisch klang, erschallte wie das Echo eines gewaltigen Gongs, und ein Schauer aus Erde und leuchtenden Partikeln verbrannten Herbstgrases flog in die Luft. Ich warf den Arm hoch, um meine Augen zu schützen – aber meine Füße ließ ich fest stehen.
Als die Erde sich gelegt hatte und Staub und Asche sich klärten, stand die Lady von Licht und Leben, die Monarchin des Sommerhofes, etwa drei Meter von mir entfernt.
Sie war atemberaubend. Ich meine nicht schön, denn das war sie natürlich. Aber es war die Art von Schönheit, die so viel Reichweite, so viel Tiefe, so viel Kraft hatte, dass es mich mit dem Gefühl zurückließ, ich sei unerheblich, unbedeutend und sehr, sehr befristet in meinem Dasein. Man fühlte dies, wenn man zum ersten Mal die Berge, das Meer, die gewaltige, trostlose Erhabenheit des Grand Canyons sah – und jedes einzelne Mal, wenn man auf Titania, die Sommerkönigin, blickte.
Ich würde ja sagen, die Einzelheiten ihres Aussehens waren unwichtig, aber das waren sie nicht – vor allem für mich.
Titania war zum Kampf gerüstet.
Sie trug eine Robe aus Kettenringen, die aus einem silbrigen Metall hergestellt waren; die Glieder waren so fein, dass es zuerst wie ein gewebter Stoff aussah. Es bedeckte sie wie eine zweite Haut bis hoch zu ihrer Kehle. Darüber trug sie ein Ornat aus Seide, die in einem langsamen, stroboskopisch anmutenden Muster farblich vom Gelb des Sonnenlichts bis zum Grün der Tannennadeln wechselte. Ihr silbrig-weißes Haar war zum Zopf geflochten und als Knoten in ihrem Nacken festgesteckt. Auf dem Kopf trug sie eine Krone aus etwas, das aussah wie lebende Weinranken. Sie trug weder Waffe noch Schild, aber ihre großen Sidhe-Augen blickten mich mit der absoluten Sicherheit einer Person an, die wusste, dass sie weit über die Fähigkeit des Gegners, den Angriffen standzuhalten, hinaus bewaffnet war.
Oh, und hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich schwören können, dort st ü nde Mab. Ehrlich. Sie sahen nicht aus wie Schwestern. Sie sahen aus wie Klone.
Ich begann, indem ich mich tief vor ihr verbeugte. Ich verhielt so für einen Moment, ehe ich mich wieder erhob.
Sie war für einige Augenblicke ein Standbild. Dann nickt sie mir nur zu – kaum sichtbar –, aber diese kleinste Änderung in ihrer Körpersprache drückte Anerkennung aus.
„Du, der du meine Tochter erschlugst“, flüsterte Titania. „Du wagst es, mich zu beschwören? Mich?“
Das letzte Wort peitschte durch die Luft, ihr Zorn war spürbar. Es traf den mich umgebenden Zirkel und zerplatzte in einen Schauer aus goldenen und grünen Funken, die beinahe sofort verschwanden.
Ich hatte Erfahrung mit den Königinnen des Feenlandes. Wenn sie wütend wurden und zu reden begannen, verdammt noch mal, dann hörte man sie. Wenn man das überlebte, hoffte man, die Notaufnahme noch rechtzeitig zu erreichen. Ich hatte kein Szenario vorausgesehen, in dem mein Sprechen zu Titania sie nicht wütend machen würde – deshalb hatte ich den Zirkel als Vorsichtsmaßnahme gezogen.
Manchmal benutzte ich mein
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