Harry Dresden 14 - Eiskalt: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 14 (German Edition)
stand da, ließ mein Herz sich ebenso wie die wirbeligen Wolken beruhigen. Ich fühlte mich traurig. Als ich Aurora tötete, hatte ich keine große Wahl gehabt – aber trotzdem hatte ich jemandem für immer sein kleines Mädchen genommen. Ich fühlte mich wie ein Mann mit nur einem Ruder in einem Boot. Egal wie schwer ich arbeitete, ich kam nicht wirklich voran.
Aber zumindest hatte ich jetzt einen Namen für die Macht, von der mir die Ladies berichtet hatten.
Nemesis.
Außerdem war sie bewusst.
Der Regen, den Titania zurückgehalten hatte, kam sintflutartig herunter, und ich vermutete säuerlich, dass sie darauf geachtet hatte, dass ich durchnässt wurde. Sie hatte mich nicht getötet – zumindest noch nicht. Aber ich wusste so sicher wie das Amen in der Kirche, dass sie mich nicht mochte.
Die Nacht würde bald anbrechen, und dann wäre die Hölle los – und das war ein optimistisches Szenario.
Ich beugte das Haupt, zog die Schultern gegen den Regen hoch und brach auf, um das magische Gehölz zu verlassen.
31. Kapitel
I ch hielt ein Taxi an und fuhr zu meinem nächsten Ziel: zum Graceland-Friedhof.
Die Begräbnisstätte war gut besucht, schließlich war Halloween und so. Graceland war eine der größten Friedhöfe der Nation, das Atlantic City der Begräbnisstätten. Er war voller Monumenten für Männer und Frauen, die zu Lebzeiten sichtbar zu viel Geld gehabt hatten. Statuen und Mausoleen aus Granit und Marmor standen überall, einige davon im Stil des antiken Griechenlands, andere erkennbar mehr vom alten Ägypten beeinflusst. Der Stil der verschiedenen Denkmäler reichte von unglaublicher Schönheit zu absolut abscheulicher Extravaganz, mit Künstlern und Magnaten und Architekten und Erfindern, die jetzt alle schweigend zusammenlagen.
Bei einem Streifzug durch Graceland fand man sich in einem Irrgarten der Erinnerungen wieder, einer Wolke an Namen, denen kein Lebender mehr ein Gesicht zuordnen konnte. Ich fragte mich, während ich einige der älteren Denkmäler passierte, ob sie noch jemand besuchte. Wenn man 1876 verstorben war, dann bedeutete das, dass jetzt die Generation der Ur-Ur- oder gar der Ur-Ur-Urenkel lebte. Besuchten Leute die Gräber derer, die bereits so lange tot waren?
Nein. Nicht aus persönlichen Gründen. Aber das war in Ordnung. Gräber waren nicht für die Toten gedacht. Sie waren für die Hinterbliebenen. Sobald sie tot waren, sobald alle Leben, die der Inhaber eines Grabes je berührt hatte, geendet hatten, war der Zweck des Grabes erfüllt und beendet.
Wenn man es so betrachtete, konnte man ein Grab durchaus mit einer riesigen Statue oder einem großen Tempel schmücken. Es gab den Menschen zumindest etwas zum Reden. Folgte man allerdings dieser Logik, so hätte man nach meinem Tod eine Achterbahn oder ein ähnliches Fahrgeschäft über meinem Grab bauen müssen. Denn dann konnten, selbst wenn meine Lieben tot waren, die Leute Jahr um Jahr weiter Spaß haben.
Natürlich hätte ich dann eine etwas größere Begräbnisstätte gebraucht.
Mein Grab war noch immer offen, ein Loch von zwei Metern Tiefe im Boden. Eine alte Kontrahentin hatte es für mich als eine Art mörderisches Vorspiel gekauft. Es war nicht so gelaufen, wie sie es erwartet hatte. Aber scheinbar funktionierte der Mechanismus, den sie genutzt hatte, um das Grab zu reservieren und (illegal) offen zu halten, noch immer, denn als ich hinkam, fand ich es genauso klaffend und bedrohlich vor, wie es schon immer gewesen war. Ein Frösteln lief mir über den Rücken, als ich meinen Grabstein las.
Es war ein hübsches Ding, weißer Marmor mit goldgeprägten Lettern und einem ebensolchen Pentagramm:
HIER LIEGT HARRY DRESDEN.
ER STARB, ALS ER DAS RICHTIGE TAT.
„Nun“, brummte ich, „einmal sicher. Aber ich denke, ich nehme die besten zwei von drei.“
Ich blickte mich um. Ich hatte einige Gruppen einer Art Halloween-Spukführung und eine Schar Kinder, die teure, schwarze Kleidung und dunkles Makeup trugen, Zigaretten rauchten und auszusehen versuchten, als wären sie weise wie die Welt, passiert. Ein paar ältere Leute schienen wirklich Gräber zu besuchen und neue Blumen zu bringen.
Ich verweilte nachdenklich an meinem eigenen Grab und wartete, bis niemand hersah. Dann sprang ich hinein. Meine Füße platschten in fünf Zentimeter Wasser und weitere dreizehn Zentimetern Matsch, eine kleine Aufmerksamkeit des Nieselregens.
Ich kauerte mich zusammen, nur um sicherzugehen, dass mich niemand sah, und packte meine
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