Harry Dresden 14 - Eiskalt: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 14 (German Edition)
verwirrt.“
„Ich weiß“, sagte sie. „Wir sind da.“
Wir hielten in der Mitte eines Waldpfades, der nicht anders aussah als alles andere in der Umgebung. Mutter Sommer blieb stehen und verzog das Gesicht. „Du bist wirklich nicht der Witterung entsprechend gekleidet.“
„Keine Sorge“, sagte sie. „Ich bin nicht sehr kälteempfindlich.“
Sie ließ meinen Arm los, sah an mir hoch und herunter, dann legte sie eine Hand auf den Henkel des Korbes, den sie über dem anderen Arm trug, und sagte: „Etwas weniger ... Unpassendes wäre angebracht, denke ich.“
Ich hatte schon zuvor Barbies Ken für einen Feen-Modedesigner gespielt, daher war ich nicht vollkommen schockiert, als sich meine Kleidung plötzlich einfach änderte. Als die Leanansidhe es getan hatte, hatte ich eine halbe Stunde im Auto gesessen und einen fantasiereichen und lächerlichen Aufzug nach dem anderen ertragen. Diesmal nicht.
Meine Bekleidung wurde von Stoff zu maßgefertigtem Stahl. Nun, wahrscheinlich kein Stahl, sondern was auch immer das Äquivalent war, das die Sidhe für ihre Rüstungen nutzten. Die Rüstung war einfach , funktional und völlig schmucklos – eine Brustplatte, Armschienen und große Schulterplatten. Schwere Tassetten hingen vom unteren Rand der Brustplatte und schützten meine Oberschenkel. Meine Unterschenkel waren auf der Vorder- und der Rückseite mit Beinschienen geschützt. Die Rüstung war schwarz und glänzte, und wenn Licht direkt drauf fiel, konnte man dunkellila und dunkelblaue Farbtöne erkennen.
Ich merkte, dass ich unter dem linken Arm einen Helm trug, und nahm ihn in beide Hände, um ihn zu betrachten. Es war ein korinthischer Helm, wie in dem Film über die Spartiaten, nur ohne den schicken Zopf. Innen war er gepolstert. Ich setzte ihn auf, und er passte hervorragend.
„Viel besser“, sagte Mutter Winter. „Bleib in meiner Nähe.“
Ich sah mich im vollkommen ruhigen Wald um. Es war ein wenig mühsam, da der Helm mich hinderte, den Kopf ohne Probleme zu drehen. Ich sah auch nach oben. Sicher ließ die Rüstung mich albern aussehen. „Äh, alles klar.“
Mutter Sommer l ächelte, nahm wieder meinen Arm und streckte einen Fuß aus. Sie schob damit eine Schicht Schmutz und gefallener Blätter von der schartigen Oberfläche eines flachen Steines, der wie ein etwa einen Meter breiter Pflasterstein aussah. Sie klopfte mit dem Fuß dreimal darauf, flüsterte ein Wort und zog mich mit sich, als sie darauf stieg.
Kein Drama folgte. Die Landschaft veränderte sich nur so rasch und drastisch, als würde man Licht in einem dunklen Raum anschalten. In einem Augenblick standen wir noch in einem herbstlichen Riesenwald. Im nächsten ...
Ich hatte Spielfilme und Wochenschauen über den ersten Weltkrieg gesehen. Man hatte ihn in meinen Schulen nicht so gründlich gelehrt, weil Amerika keine führende Rolle darin spielte und weil der dumme, vermeidbare Schlamassel ein kontinentales Riesendurcheinander war, das Millionen getötet und doch nur die Teams für den nächsten Weltkrieg festgelegt hatte. Aber ich erinnerte mich an das, was ich davon gesehen hatte. Endlose Schützengräben. Ein rauchgeschwängertes Niemandsland, geschnürt mit rostigem Stacheldraht und durchzogen von Maschinengewehren und Schützen. Ein Leichentuch aus Rauch, das die Sonne in eine stumpfsinnig glühende Kugel verwandelte.
Aber die Filme konnten nicht alle Sinne abdecken. Am Himmel erklang ein durchgängiges Grollen, aus Gewalt geborener Donner, und überall herrschte der Geruch von Fäkalien und Tod.
Wir standen auf einem kleinen, kahlen Berg und schauten hinab. In unserer Nähe, nur ein paar hundert Kilometer entfernt, befand sich eine gigantische Wand; die Art Wand, die man gegen die Mongolen gebaut hätte, wären sie in der Größe King Kongs gekommen. Gemacht war sie komplett aus einer Art durchsichtigen Kristalls. Selbst von hier konnte ich sehen, dass sich Räume und Zimmer in der Wand befanden, Bereiche, die Kasernen enthielten, Krankenhäuser, Küchen, alles, was das Herz begehrte. Trübe, verschwommene Umrisse bewegten sich darin.
An den Mauern entlang waren wohl Zehntausende oder gar Hunderttausende Soldaten aufgestellt. Ich spähte, versuchte, einen besseren Blick zu erhaschen und merkte dann, dass es sich um Sidhe handelte.
Bei allen.
Sie trugen alle Rüstungen, die, ähnlich der meinen, die kühlen, gedämpften Farben des Winters reflektierten.
Draußen vor der Mauer lag ein Land, das aus Schmutz, Matsch und
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