Harry Dresden 14 - Eiskalt: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 14 (German Edition)
sagte Thomas. „Ein Monster. Wie ich.“
„Das habe ich nicht gemeint.“
„Genau das hast du gemeint“, spie er wütend. „Du arrogantes ...“ In einem Anfall reiner Frustration schleuderte er den Hering. Er drehte sich einmal und sank dann fünf Zentimeter tief in einen Holzbalken. „Du wärst versucht worden, hm? Hättest mit monströsen Trieben kämpfen müssen? Hättest dich mit der Möglichkeit auseinandersetzen müssen , dich zu verwandeln, wenn du dich mal eine Minute nicht zusammenreißt? Die Kontrolle zu verlieren, vielleicht jemanden zu verletzen, der dir am Herzen liegt?“ Er schüttelte den Kopf. „Heul doch! Rabääh!“
Ich konnte ihn nicht ansehen.
„Du wärst lieber tot, als wie ich zu sein“, sagte er. „Es ist verdammt toll, so etwas zu seinem Bruder zu sagen.“
„Darum ging es nicht“, sagte ich.
„Natürlich“, schnauzte er zurück. „Verdammt, Harry.“
„Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen, um es zu ändern“, sagte ich. „Vielleicht würde ich das, wenn ich es könnte. Aber es ist getan. Tut mir leid, aber es ist so.“
„Du hättest mit mir reden sollen“, sagte er.
„Thomas.“
„Du hättest mir vertrauen sollen“, sagte er. „Verdammt, Mann.“
Die Erinnerung an diese hoffnungslosen Stunden traf mich schwer. Ich hatte mich so elend gefühlt. Meine Tochter war aus ihrem Zuhause entführt worden, und trotz all der Male, die ich anderen beigestanden hatte, schien keiner willig zu sein, mir zu helfen. Der Weiße Rat, für den ich Krieg geführt hatte, wandte mir den Rücken zu. Mir war die Zeit davongelaufen ... und das Leben eines kleinen Mädchens, das seinen Vater nie kennengelernt hatte, hatte auf dem Spiel gestanden.
„Warum?“, fragte ich ihn müde. „Was hätte es geändert? Was hättest du sagen können, das etwas ge änder t hätte?“
„Dass ich dein Bruder bin, Harry“, sagte er. „Dass ich dich liebe. Dass ich ein paar Dinge darüber weiß, wie man die dunklen Seiten seines Wesens kontrolliert und dass wir das schaffen würden.“ Er stützte die Ellbogen auf die Knie und legte die Stirn in die Hände. „Dass wir einen Weg find en würden. Dass du nicht allein bist.“
Zustechen.
Umdrehen.
Er hatte recht. Es war so einfach. Thomas hatte recht. Ich war eigennützig und arrogant gewesen. Vielleicht war das verständlich, wenn man den großen Druck betrachtete, der damals auf mir gelastet hatte, aber das bedeutete nicht, dass ich schlechte Entscheidungen gewaltigen Ausmaßes treffen musste.
Ich hätte mit ihm reden sollen. Ihm trauen. Ich hatte nicht mal versucht, an jemanden außer Maggie zu denken, hatte nicht einmal daran gedacht, mir die Unterstützung meiner Familie zu holen. Ich hatte direkt den Teil meines Plans umgesetzt, der das Engagement des besten übernatürlichen Attentäters der Welt beinhaltete, um mich zu töten. Das sagte wohl etwas über meinen verzweifelten Zustand zu dieser Zeit aus.
Aber nicht so viel wie das, was ich über meinen Bruder gesagt hatte. Er lag auch dabei richtig. Ich hatte es bislang nicht bewusst so betrachtet, aber ich hatte Thomas mit meinen Handlungen vermittelt, dass es besser war, tot zu sein als ein Monster – ein Monster, wie er es war. Taten sprachen lauter als Worte.
Ich hatte immer gedacht, einen Charakter zu haben würde einfacher werden, je älter man wurde. Aber es wurde nur schwieriger und komplizierter.
„Tut mir leid. Ich hätte damals mit dir reden sollen“, sagte ich. Meine Stimme klang belegt. „Ich hätte vor drei Monaten mit dir reden sollen. Aber ich konnte es nicht, da ich eine falsche Entscheidung getroffen hatte. Ich dachte, es sei besser, niemanden zu kontaktieren.“
„Warum nicht?“, fragte er und sah auf.
„Weil ich es nicht verdiente“, flüsterte ich. „Weil ich Verrat beging. Weil ich mich schämte.“
Er stand ärgerlich auf. „Oh, absolut, das verstehe ich. Du musstest wegbleiben. Sonst hätten alle gewusst, dass du nicht perfekt bist, du glotzendes, dummes, vorlautes, egoistisches ...“
Er warf sich an meine Brust und schlang die Arme so fest um mich, dass ich meine Rippen knacken hörte.
„... ungehobeltes, reizbares, verärgerndes, albernes, unnützes ...“
Ich umarmte meinen Bruder und lauschte einer konstanten Aneinanderreihung von missbilligenden Adjektiven, bis er diese beendete.
„... Arschloch.“
„Ja“, sagte ich. „Ich habe dich auch vermisst.“
15. Kapitel
T homas brachte uns zur Insel , indem er anhand der Gestirne
Weitere Kostenlose Bücher