Harrys Höllen-Cocktail
dem Meer tanzten goldene Reflexe.
Bill, der einen Schluck Chablis nahm, schüttelte den Kopf. »Ich kann es nicht fassen.«
»Was denn?«
»Da sitzt man hier, genießt das Essen und die Gegend und muß gleichzeitig daran denken, daß es noch einen Teufel und eine Hölle gibt, die einem die Gedanken an Urlaub vertreiben.« Er beugte sich zu mir hin. »John, mal ehrlich. Hast du so einen Fall schon einmal erlebt?«
»Nein.«
»Kein sichtbares Grauen«, sagte Bill. »Keine alten Ruinen oder finstere Schlösser, kein Moor, keine Vampire oder Werwölfe und trotzdem…«
»Habe ich Furcht«, ergänzte ich.
»Ja, ich auch. Es ist das schleichende Grauen, das sich überall eingenistet hat und daß du nicht sehen kannst. Es kommt wie Gift, packt und vernichtet dich.«
»Wie wahr.«
»Wo setzen wir an?«
»Beim Ober«, erwiderte ich trocken und winkte den Mann in der weißen Jacke an unseren Tisch. »Laß mal, ich erledige das.«
Während Bill die Rechnung zahlte, schaute ich hinüber zum Hafen, wo die Schiffe und Yachten lagen. Die hohen Masten der Segler schaukelten.
Der helle Himmelskörper hatte auch wesentlich mehr Menschen ins Freie gelockt. Ich sah einige Leute zu ihren Booten gehen. Wahrscheinlich wollten sie bei diesem schönen Wetter auslaufen zu einem Segeltörn vor der Küste.
Auch unser Boot befand sich in meinem Blickfeld. Menschen rannten an Backbord.
»Bill!« Ich rief den Namen meines Freundes, als ich bereits in die Höhe schnellte.
»Was ist?«
Er bekam von mir keine Antwort, da ich loslief. Wir mußten über die Straße, das war bei dem dichten Verkehr nicht einfach. Sie war zwar nicht verstopft, aber der Verkehr lief doch unaufhörlich. Wenn man es eilig hatte, war es ein Problem. Ich schaffte es im Zickzack-Lauf, hörte wildes Hupen und laute Flüche. Bill, der hinter mir lief, erging es nicht anders. Der Weg kam mir plötzlich verdammt weit vor. Jenseits der Straße mußten wir noch einen Kai überqueren, um an den langen Pier zu gelangen, wo die Reihe der unterschiedlichsten Boote lag. Man schaute uns an wie verrückt, daß wir so rannten, aber wir mußten noch eine Strecke parallel zu den dort schaukelnden Bootskörpern laufen, bevor wir das Ziel erreichten.
Bill hatte es nicht geschafft, mich einzuholen. So erreichte ich unsere Yacht als erster.
Ich hatte die beiden Personen nicht wieder entdecken können. Falls sie von Bord gegangen waren, mußten sie dies an der für uns nicht einsehbaren Heckseite getan haben.
Über den Steg lief ich wesentlich langsamer. Er führte direkt an der Steuerbordseite der Yacht entlang. Nur schwerlich beruhigte sich mein Atem.
Dann stand ich an der seitlichen Schwimmleiter, über die ich an Bord hangelte.
Bill Conolly folgte mir ebenso lautlos. Unser Boot war etwas kleiner als das des Spaniers, besaß auch einen Salon, aber nur vier Kabinen ohne Bäder, dafür mit Duschen.
Auch der Luxus hielt sich in Grenzen. Die festgeschraubten Sessel waren nicht mit Leder bezogen worden, sondern mit einem preiswerten Cordstoff.
Wir schauten in den Salon. Er war leer.
Zu beiden Seiten eines schmalen Fensters hielten wir uns auf. Bill flüsterte mir zu: »Hast du dich nicht getäuscht, John?«
»Nein.«
»Trennen wir uns?«
»Okay, ich gehe rein. Du bleibst draußen.«
»Einverstanden.«
Die Beretta hatte ich längst gezogen. Wenn man mich überraschen wollte, sollten sich die anderen wundern.
Im Salon roch es nach Zigaretten und Alkohol. Natürlich gab es auch eine Bar. Auf ihr stand ein Glas Cognac.
Wahrscheinlich hatte sich Claudine Schnaubert das Glas eingeschenkt, zu sehen aber war sie nicht.
Hatte sie das Boot verlassen? Wenn ja, war es bestimmt nicht freiwillig geschehen.
Auf dem Boden lag ein grünlich schimmernder Teppich. Er zeigte einige Flecke, wo Alkohol verschüttet worden war. Ich sah keinen Fremden, hatte aber das Gefühl, nicht allein im Salon zu stehen. An Deck hielt Bill Wache. Das war gut. Vom Salon aus und neben der Bar war die schmale Tür geschlossen. Dahinter und einige Stufen tiefer lagen die Kabinen und Duschen.
Steckten die anderen dort?
Noch wußte ich es nicht, aber ich trat an die Bar heran und schaute vorsichtig über sie weg.
Hinter ihr lag Claudine Schnaubert.
Flach auf den Rücken war sie gefallen. Ihr Gesicht sah blaß aus wie das einer Toten.
Die Wut kochte in mir über, als ich um die Bar herumeilte, mich vor sie hinkniete und nachschaute.
Erst jetzt sah ich die Wunde.
Mitten in der Brust befand sie sich. Sehr
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