Hart
sagte er. «Sie würden es nicht merken.»
Jetzt erinnerte er mich noch mehr an Michael.
«Dann sagen Sie es mir nicht.» Ich schob mein fast leeres Glas Bier zur Seite.
«Ich bin Maler», sagte er. «Noch nicht berühmt. Aber vielleicht doch bekannt.»
«Wofür bekannt?»
Er antwortete mir mit seinen Augen. Er trank einen großen Schluck Bier und beobachtete mich über die Flasche hinweg. Ich schaute absichtlich weg und heftete meinen Blick auf den Mond.
«Ich könnte Sie malen», sagte er. «Sie könnten, oder Sie werden?»
Er lächelte. «Ich werde. Aber mit Ihrer Erlaubnis könnte es ein Kunstwerk werden anstatt eines bloßen Erinnerungsstücks.»
«Sie wollen, dass ich mich von Ihnen ablichten lasse?»
«Ich möchte, dass Sie mir Modell sitzen. Man lässt sichvon einem Fotografen ablichten. Einem Maler sitzt man Modell.»
«Ah so.»
«Ich würde Sie liebend gern auf die Leinwand bannen», sagte er.
Er betrachtete mich im Mondschein, und seine über meinen Körper wandernden Augen brachten mich trotz des Alkohols zum Erröten. Dann entschuldigte er sich und ging zur Theke. Er kam mit einer weißen Serviette und einem Bleistiftstummel zurück und begann zu zeichnen. Ich weigerte mich noch immer hinzusehen, obwohl ich wusste, was er da machte.
«Sie sind so hübsch», murmelte er.
Die Sterne schienen hier in der reinen Luft besonders stark zu funkeln. Es wimmelte am Himmel von Sternen, obwohl auch der Mond hell schien. Hatte ich den Mond jemals so strahlend leuchten sehen?
Daniel warf die Serviette auf meine Seite des Tisches. Ich blickte hinunter, als sie meinen nackten Arm berührte. Was ich sah, ließ mich aufmerken.
Das war eindeutig ich, in sorgfältigen Bleistiftstrichen auf die weiße Serviette geworfen. Mit funkelnden Augen sah ich lachend zu jemandem auf. Mein Haar floss in dichten Wellen üppig meinen Nacken hinunter.
Ich blickte zu Daniel auf. Er prostete mir mit seinem Bier zu.
«Das ist verblüffend», sagte ich.
«Das sind Sie.»
Ich nahm die Serviette in die Hand und betrachtete das Bild genauer. Selbst die Augenbrauen stimmten. «Sie sind wirklich ein Künstler. Ich glaube Ihnen.»
«Sie sind reizend», sagte er, und wieder errötete ich angesichts seines ernsten Tonfalls. «Sie haben hübsche, gesammelte Gesichtszüge. Eine klassische Schönheit sind Sienicht. Die klassische Schönheit ist kalt und raffiniert. Sie sind zugänglicher. Ich sehe Sie gerne an.»
Ich erhob mich von meinem Stuhl. Alles schwankte. Daniel trank noch einen Schluck von seinem Bier.
«Danke», sagte ich. «Ich glaube, ich sollte jetzt heimgehen.»
Er streckte die Hand aus und berührte mich am Arm. Es war eine sanfte Berührung, eine Liebkosung, so leicht wie die Bleistiftstriche auf der Serviette. «Denken Sie darüber nach, mir Modell zu sitzen. Ich werde morgen wieder hier sein. Ich würde Sie gern im Mondschein malen, so, wie Sie in diesem Moment aussehen.»
Er drückte mir die Serviette in die Hand. «Als Anreiz», sagte er.
Daniels Blick folgte mir den ganzen Weg den Strand hinunter.
Der Heimweg kam mir viel länger vor als der Hinweg zur Bar. Vorsichtshalber blieb ich dem Wasser fern. Ich schalt mich für den Abend. Ich sollte hier über alles nachdenken, über Tom und mich und vor allem darüber, wie ich Michael aus dem Kopf bekam – und stattdessen betrank ich mich, gab zu viel Geld aus, wanderte nachts alleine herum und grübelte über alles Mögliche nach, über das Wasser, über das Haus am Strand, über Zeichnungen und über Augen, die so tiefbraun waren, dass sie schwarz wirkten. Was war nur mit mir los?
Ich stieg die Verandatreppe hinauf. Das war anstrengender, als ich mir eingestehen wollte. Als ich stehen blieb, um übers Geländer zu schauen, sah ich das Paar unten am Strand.
Das Mondlicht beschien die Körper, aber verschattete die Gesichter. Die paar Kleider der beiden lagen ausgezogen neben ihnen auf dem Sand. Sie wälzten sich dort unten, und manchmal leckte das Wasser bis zu ihnen heran und drohte, den Bikini mitzunehmen, der im Abendlicht rosa leuchtete. Sie war auf ihrem Partner drauf. Ihre Brüste hüpften bei jeder Bewegung. Ihre leisen Schreie hallten über das Wasser. Er stieß ihr hin und wieder die Hüfte entgegen, um sie härter zu ficken.
Der Gedanke an Tom überflutete meinen Kopf. Ich dachte an die Spuren, die ich an ihm hinterlassen hatte, die Spuren meiner Zähne auf seiner Haut, und wie er diese Stellen gern im Spiegel betrachtete, wenn er glaubte,
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