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Harte Schule

Harte Schule

Titel: Harte Schule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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mit gekrümmtem Zeigefinger zu sich.
    »Frau Nerz, Sie sollen den Schulhofmord nicht aufklä ren, sondern nur darüber berichten.«
    »Ich müsste mal mit Ihrer Frau reden«, antwortete ich. »Es gibt da ein paar Punkte …«
    »Unterstehen Sie sich!«
    »Was hat er denn?«, wollte Isolde wissen, als ich zu ihr stieß.
    »Er muss kommentieren. In Berlin tagt der Vermittlungsausschuss, und das kann spät werden. Wahrscheinlich musste er ein Tennismatch absagen.«
    Ich überließ Isolde die Unfallberichte und meinen Schreibtisch und begab mich ins Wirtschaftsressort. Die Herren von der Wirtschaft hatten stets einen Anzug am Leib oder im Schrank, trugen Uhren mit Firmenlogos und verfügten über lederne Schreibmappen und jede Menge Kugelschreiber. Matthias Hirsch sackte unbestechlich alle Präsente ein, die der Journaille auf den Pressekonferenzen von DaimlerChrysler, IBM und Porsche angedient wurden. Er betrachtete sie als Schmerzensgeld für Gähnkrämpfe. Sein Schreibtisch stand am Fenster mit Blick auf Parkplatz, Fildern, Flughafen und die blaue Silhouette der Schwäbischen Alb. Er war erst kürzlich Abteilungsleiter geworden, nachdem der alte Geldschläger unerwartet den Löffel abgegeben hatte, und mit der Metamorphose vom Studenten zum Nadelstreifenträger noch nicht ganz fertig.
    »Stör mich nicht«, sagte er von einem Reuters-Bericht aufblickend. »Recherchier selber.«
    »Du schreibst doch auch wieder nur Reuters ab. Außerdem habe ich dir heute früh den Tipp mit TVCinema gegeben.«
    Matthias legte den Kugelschreiber hin. »Das war nun wirklich nicht die große Aktion mit zwanzig Fahndern und dem kistenweisen Abtransport von Akten und Com putern, sondern eher ein Informationsbesuch. Frag We ber. Der leitet die Ermittlungen und hasst die Presse.«
    »Weiß ich. Gab es Festnahmen?«
    »Augenscheinlich nicht.«
    »Kennst du einen Kurt Holzer bei TVCinema?«
    Matthias grinste. »Ist das nicht der Bettgenosse unserer Volontärin? Übrigens nimm dich in Acht. Sie hat sich bei Elsäßer beschwert. Du würdest unprofessionell arbeiten.«
    »Holzer«, sagte ich, »ist der Hauptverdächtige der Staatsanwaltschaft in Sachen Umsatzsteuerhinterziehung.«
    »Ohne offizielle Bestätigung nützt mir das nichts. Aber es würde mich nicht wundern. Dieser Fatzke hat alles, was man zu einer halbkriminellen Blitzkarriere braucht: einen knackigen Arsch, eine Ausbildung in den USA und die nötige Dummheit. Sein Vater war Studien kollege von Elsäßer, Holzer-Verlag, Schulbücher. Neu erdings investiert er in CD-ROMs, vermutlich auf Anraten seines Sohnes. Ich habe Senior und Junior Holzer samt Isolde im Sommer bei einer dieser Gartenpartys im Hau se Elsäßer getroffen.«
    »Ach du meine Scheiße!«
    Matthias feixte. »Du lernst es auch nie, gell?«
    Stimmt. Mir hätte auffallen müssen, dass Isolde heute früh im Lehrerzimmer Frau Müller-Elsäßer erkannt und darum so impertinent gegrüßt hatte. Ich ging ins Feuilleton und ließ mir vom alten Wesel einen Schluck aus seiner Flasche Wodka Gorbatschow geben. Leider brauchte Isolde meinen Trost nicht, denn die Drohung des Morgens gegen sie und ihren Freund hatte sich offenbar zerschlagen.
    Maier unterbrach unser Lauern im Kabuff mit der Mitteilung, dass die Punks über Internet die Chaostage für dieses Wochenende in Stuttgart ausgerufen hatten. Ob ich nicht morgen zum Lokaltermin gehen könnte. »Sie auch, Frau Ringolf, wenn Sie Lust haben.«
    Kaum hatte ich mich am Abend hinter dem Rücken von Oma Scheible die Treppen hochgeschlichen und meine Wohnungstür aufgeschlossen, klingelte das Telefon.
    »Zeller hier.«
    »Das ging aber schnell.«
    Es gab eine längere Pause. Ich warf einen Blick zum Küchenfenster hinaus. Richards Fenster im Bunker gegenüber leuchtete vorwurfsvoll. »Nun, was gibt’s denn, Herr Zeller?«
    »Also … Sie hatten mir ja Ihre Karte zukommen lassen.«
    Das falsche Tempus, aber er war ja auch Mathematiklehrer.
    »Räumen Sie jeden Tag Ihre Schultasche auf?«, fragte ich.
    Zeller lachte gezwungen. »Frau Nerz, kann ich mich mit Ihnen treffen?«
    »Wann?«
    »Ja, also, ich könnte … Sagen wir, um acht? Bei Ihnen?« Ich hörte Kinderstreiten im Hintergrund. »Vorausgesetzt, es ist Ihnen recht.«
    »Doch, doch.«
    »Also dann, bis nachher.«
    Es klang, als hätte er allen Mut zusammengenommen, sich zu seinem Traum-Date zu verabreden. Aber welche ausgewachsene Frau steht schon auf Lehrer?! Deren verkniffene Männlichkeit gehört zu den in der Erinnerung eher

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